Atmen – ein lebendiges Geschehen (Gralsverlag Ratgeber)
Vorgang von selbst geschieht. Erst ihre Gedanken und ihr innerer Druck lösen Angst aus, welche die natürliche Atembewegung unterbricht. Wir sprechen darüber, daß sie es in der Hand hat, die Panik zuzulassen und sich von den angsterfüllten Gedanken einholen zu lassen oder aber sich auf das natürliche, lebendige Geschehen in ihrem Körper zu verlassen, das ihr Halt geben kann.
In den folgenden Stunden vertieft sich der Atem weiterhin, und ein Gefühl der Zuverlässigkeit entsteht.
Ein schnarchendes Geräusch, das sich generell im Liegen einstellt, verschwindet durch intensive therapeutische Arbeit am Schulter-Nackenbereich.
Einige Zeit lang konnte ich nicht an der „Mitte“ arbeiten, sie nicht einmal dort berühren. Die Mitte, der unmittelbarste Zugang nach innen, war ihr zu direkt, sie fürchtete und verschloß sich. Schließlich gelingt es doch. Sie öffnet sich und empfindet selbst große Freude über die Tiefe des Atems und den inneren Anschluß.
Nach dieser Stunde schreibt sie einen Brief, um sich zu bedanken. Sie schreibt, sie könne nun mit ihrer Angst umgehen und wieder schlafen. Ihr Leben habe sich verändert und das, was sie wollte, sei erreicht. Sie kam danach nicht wieder zu mir.
Ich kann daher nicht beurteilen, ob Einsicht und Veränderung eine anhaltende Wirkung zeigten.
7.
Frau W. leidet unter sehr starken Menstruationsbeschwerden, begleitet von Brechdurchfall und Kreislaufkollaps, so daß sie nicht selten den Notarzt rufen muß.
Becken, Beine und Füße sind sehr stark gehalten. Ich habe zu Beginn mühe, sie überhaupt zu bewegen. Insgesamt befindet sie sich psychisch in einer recht labilen Lage – und das Vertrauen, das sie mir und meinen Händen von Anfang an entgegenbringt, gibt uns eine gute Grundlage und Unterstützung für die gemeinsame Arbeit. Sobald ich die Hände auflege, reguliert und vertieft sich ihr Atem, unbewußt bleibt er jedoch zunächst noch flach, und oftmals hält sie ihn für Momente ganz zurück. Im Lendenwirbel-Bereich ist eine „Bruchstelle“ zu spüren, eine Blockierung, die Ober- und Unterkörper gleichsam in zwei getrennte Bereiche zu teilen scheint. Ihr Becken fühlt sich oft „leer“ an, die Schultern bilden eine Art Gegenpol in diesem Ungleichgewicht und sind übermäßig angespannt.
Durch ihre innere Bereitschaft, sich zu öffnen, kann die Atemarbeit jedesmal ein wenig tiefer wirken, und eines Tages löst sich die Lendenwirbel-Blockade, Atembewegung fließt nun von selbst in den Beckenraum; dieser findet endlich wieder Anschluß. Seitdem hat sie nie wieder solche extremen Schmerzen, daß sie einen Arzt aufsuchen muß und kann sich bis heute recht gut selber helfen durch lösende Atemübungen.
Wir müssen die Atemstunden beenden durch meinen eigenen Umzug. Ich sehe Frau W jedoch ein bis zwei Mal im Jahr bei einem Atemkurs. Es ist erfreulich mitzuerleben, wie ihre psychische Stabilität und ihre Lebensfreude allmählich wachsen.
8.
Als eine meiner ersten Patientinnen sucht Frau S. (Ende Zwanzig) meine Praxis auf. Seit dem Tod ihres Vaters leidet sie unter chronischem Schnupfen. Auf Anraten der Ärzte läßt sie sich die Nasenschleimhaut entfernen. Kurz darauf entwickelt sich eine chronische Bronchitis mit asthmatischen Anfällen. Dies ist eine der vielen typischen Symptomverschiebungen bei unterdrückender Therapie. Ursachen werden weder erkannt noch behandelt, und die eigentliche Disposition sucht sich ein neues Erscheinungsbild.
Mit steifen, durchgedrückten Beinen steht die junge Frau vor mir. Die Schultern sind hochgezogen, der Kopf taucht kaum dazwischen auf. Der Brustkorb bildet eine starke Abwehrmauer.
Zu Anfang kann ich nur nach unten arbeiten. Das ist noch am wenigsten bedrohlich und gibt ihr allmählich die Gelegenheit zu fühlen, daß sich überhaupt etwas in ihr bewegen kann. Sie beginnt, Raum wahrzunehmen, den Atem zu spüren, sich langsam auf ihre Füße und Beine zu verlassen. Sobald ich mich jedoch dem Brustkorb nähere, sei es auch nur vom Rücken her, reagiert sie mit einem Hustenreiz.
Ihr Ausatem ist sehr zurückgehalten; sie sagt von sich selber, sie könne nicht geben, fühle sich nicht lebendig, fühle sich im Grunde überhaupt nicht. Eine große innere Abwehrhaltung läßt ihren Körper wie eine starre Mauer erscheinen, durch welche nichts hinein- noch hinausgehen kann.
In der ersten Zeit lösen die Atemstunden viel Neues und Ungewohntes aus, und alle Symptome verschlechtern sich scheinbar, in Wahrheit werden sie ihr nur
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