Atomgewicht 500
früheren Tätigkeit her, die nun schon viele Jahre zurücklag, wußte er, was es mit gefrorenem Dynamit auf sich hat. Er wußte, daß es aus scheinbar geringfügigen Ursachen, oft überhaupt ohne jede erkennbare Ursache plötzlich detoniert, daß es gleichbedeutend ist mit lauerndem Tod.
„Um's Himmels willen, Herr Doktor, wie ist das möglich?” fragte er, als er den ersten Schrecken überwunden hatte.
„Ich weiß nicht, wie ich's Ihnen erklären soll, Mr. Spinner”, erwiderte der Doktor. „Es hängt natürlich mit dem Aufbau der Atome zusammen. Stellen Sie sich vor, daß Sie etwa neben einem mächtigen Turm stehen, der jeden Augenblick zusammenstürzen und Sie unter seinen Trümmern begraben kann, dann haben Sie eine ungefähre Vorstellung von den Verhältnissen. Sie können sich wohl denken, wie es Slawter und mir zumute war, als wir diese Gefahr erkannten.”
Blässe und Röte wechselten in den Zügen Spinners. Erst jetzt kam ihm zum Bewußtsein, daß eine nicht unbeträchtliehe Menge des verderbenbringenden Stoffes sich auch im Laboratorium des Doktors befand. Er blickte sich scheu um, als erwarte er jeden Augenblick eine Explosionskatastrophe. Slawter sah es und kam ihm zu Hilfe.
„Hier haben Sie nichts zu befürchten, Spinner. Der Stoff, den wir hier haben, ist nicht mehr gefährlich.”
„Nicht mehr gefährlich?” kam es wie ein Echo von den Lippen Spinners. „Wie soll ich mir das erklären?”
Slawter machte eine Handbewegung zu dem Doktor hin. „Lassen Sie sich's von dem hier sagen, der hat das Kunststück fertiggebracht.”
Dr. Wandel versuchte theoretische Erklärungen zu vermeiden, die der Nachrichtenchef doch wohl kaum begriffen hätte.
„Gefrorenes Dynamit muß man vorsichtig auftauen, dann wird es wieder friedlich”, antwortete er auf die Frage Spinners. „Und wacklige Atome lötet man im Autoklav wieder zusammen, dann vergeht ihnen die Lust zu explodieren.”
„Das sagt der Doktor so, als ob's die einfachste Sache von der Welt wäre”, fuhr Slawter dazwischen. „Aber ich kann Ihnen sagen, Spinner, es war verdammt nicht einfach, als wir beide, der Doktor und ich, gestern nach Werkschluß das verdammte Zeug in den Autoklav packten! Geben Sie's doch zu, Doktor, die erste Viertelstunde war Ihnen auch nicht wohl dabei.”
„Lassen Sie nur, Slawter”, wehrte Dr. Wandel ab. „Wir mußten es eben wagen. Es gab keine andere Möglichkeit, die Gefahr zu beseitigen. Wir haben genau nach meiner Formel gearbeitet. Da konnte theoretisch überhaupt nichts passieren. Na, und praktisch ist ja auch nichts passiert, mein lieber Slawter. Das Schlimmste ist nur, daß die United eine viel größere Menge von dem explosiven Zeug liegen hat und im Augenblick gar nicht in der Lage ist, es unschädlich zu machen. McGan hat den Autoklav in Detroit ja kurz und klein geschmort.
Aber da muß sofort etwas geschehen”, fuhr er, lebhafter werdend, fort. „Wir müssen eingreifen, und wenn ich selber deswegen nach Detroit fahren müßte. Die Leute haben ja keine Ahnung von der Gefahr, in der sie sich befinden.”
„Es handelt sich dabei nicht nur um die United allein, bei einer Explosion würden umfangreiche Teile der Stadt in Mitleidenschaft gezogen werden. Es könnte eine Katastrophe geben, schlimmer noch als das große Erdbeben von Frisco. Mein Gott, Spinner, was soll man tun? Sie werden in Detroit natürlich mit dem Stoff experimentieren. Sie werden versuchen, ihn zu analysieren — und dabei wird er ihnen unter den Fingern losgehen. Man muß warnen, Spinner — Verhaltungsmaßregeln senden!”
Dr. Wandel fuhr sich mit einer müden Gebärde über die Stirn. „Viel nützen kann das auch nicht, der Stoff ist zu heimtückisch. Während wir hier sitzen und reden, kann das Unglück jeden Augenblick geschehen — kann vielleicht schon geschehen sein.”
„Das ist nicht meine Sache”, sagte Spinner mit unerschütterlicher Ruhe. „Wenn Sie es für angebracht halten, so geben Sie in Gottes Namen eine Warnung nach Detroit, ich habe andere Sorgen.”
„Viel Neues und wenig Gutes dabei”, meinte Slawter, als Spinner fortgegangen war. „Es scheint, Doktor, daß wir nicht zur Ruhe kommen sollen.”
Dr. Wandel hantierte mit seinen Papieren. Während er die beschriebenen Seiten zusammenlegte, blieb sein Blick an einer der langen Formeln haften. Er griff zum Bleistift, verfolgte die einzelnen Glieder der mathematischen Entwicklung und vergaß darüber seine ganze Umgebung. Eine Weile sah ihm Slawte;-
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