Atomgewicht 500
zu, dann rief er ungeduldig:
„Sie schweigen sich in allen Tonarten aus, Doktor! Reden Sie doch auch ein Wort! Was sagen Sie zu den Neuigkeiten, die uns Spinner eben aufgetischt hat?”
Dr. Wandel ließ den Bleistift sinken. „Es ist störend, Slawter, es wirft alle meine Dispositionen über den Haufen. Sehen Sie hier!”
Er schob Slawter das Blatt mit der Formel hin, die er eben nachgeprüft hatte. Mit stillem Schauder betrachtete Slawter die endlose Reihe mathematischer Symbole, während der Doktor fortfuhr:
„Sehen Sie, Slawter, das ist das Richtige, jetzt habe ich's endlich. Noch zwei bis drei Experimente mit dem Autoklav, und wir werden den Stoff haben, nach dem ich so lange suchte. Den idealen Stoff, Slawter, bei dem wir die Abgabe der Energie ebenso einfach und bequem regeln können wie bei einer Kesselfeuerung. Aber Zeit brauche ich dazu. Wenigstens eine Woche ungestörter Arbeit wird dafür noch notwendig sein. Zum Teufel, warum läßt mich die United nicht in Frieden!”
Er schlug erregt mit der Faust auf den Tisch. Erstaunt sah Slawter ihn an. So aufgebracht hatte er den ruhigen Deutschen noch nicht gesehen.
„Es ist eine bodenlose Gemeinheit von Chelmesford und seinen Leuten!” schrie Dr. Wandel mit einem zweiten Faustschlag auf den Tisch. „In Detroit haben sie mir die Arbeit unmöglich gemacht, und jetzt stören sie mir hier meine Kreise.” Der Doktor sank wieder in sich zusammen. Alle Erregung war von ihm abgefallen.
„Unsinn, Doktor!” unterbrach ihn Slawter. „Hier ist der richtige Platz für Sie. Hier bei uns werden Sie Ihre Arbeit zu Ende bringen. Die Company wird schon für die nötige Ruhe sorgen.”
McGan machte sich an die Untersuchung des neuen Stoffes, nachdem Tom White zu seiner Geheimanlage zurückgekehrt war. Die Aufzeichnungen, die White ihm dagelassen hatte, benötigte er dazu kaum, denn von seinen früheren Arbeiten mit Dr. Wandel wußte er recht genau, wie bei Bestimmung neuer Elemente vorzugehen war.
Erst einmal gewisse maßgebende Verbindungen des neuen Stoffes herstellen, etwa die Chloride, Bromide und Sulfide, und diese Verbindungen hinterher wieder zerlegen, dann war das Atomgewicht bald gefunden. In der Theorie war die Sache reichlich einfach, bei der praktischen Durchführung erforderte sie freilich eine peinlich genaue Feststellung der Gewichtsmengen, die den verschiedenen chemischen Reaktionen unterworfen werden sollten.
Nach kurzem Oberlegen entschloß sich McGan, für alle Untersuchungen ein Zehntelgramm des unbekannten Stoffes als Normalmenge zu nehmen. Er warf zunächst ein paar Kristalle davon in eine Kugelmühle, um sie in feines Pulver zu verwandeln. Nur so hatte er ja die Möglichkeit, die angenommene Normalmenge auf Bruchteile eines Milligramms genau abzuwägen, und außerdem würde der pulverisierte Stoff auch leichter und williger die beabsichtigten chemischen Verbindungen eingehen.
Während die Kugelmühle, von einem Elektromotor getrieben, schnurrend lief, bereitete er schon die Gefäße für die Analysen vor und machte sich daran, die verschiedenen Reaktionsflüssigkeiten in Mensuren abzufüllen. Das alles nahm geraume Zeit in Anspruch. Aber als er damit fertig war, mußte er feststellen, daß die Kugelmühle erst eine geringe Menge Pulver hergestellt hatte. Der neue Stoff schien außergewöhnlich hart zu sein und leistete der Zerkleinerung durch die Stahlkugeln der Mühle einen unerwartet starken Widerstand.
Mit irischer Geduld fügte McGan sich in das Unvermeidliehe und stopfte sich eine Pfeife. Nachdenklich blickte er auf die blauen Wolken und begann zu sinnieren.
Was mochte das für ein Stoff sein, der sich bei dem verunglückten Versuch gebildet hatte? Daß es eine andere Substanz war als jene leuchtenden Kristalle, die der deutsche Doktor in Detroit hergestellt hatte, war offensichtlich. Diese Masse, die jetzt in der Kugelmühle pulverisiert wurde, verhielt sich ganz anders. Sie strahlte nicht, sie teilte bei der Berührung keine elektrischen Schläge aus, und so, wie es sich vorläufig anließ, war sie kein radioaktiver Stoff. Vielleicht nur eine einfache Legierung des Wolframmetalls der Elektrodenstifte mit dem Stahl der zerschmolzenen Autoklavwand...
War es aber so — und das mußte die Analyse ja schnell ergeben —, dann konnte er alle seine Träume und Hoffnungen auf eine Karriere bei der United begraben. Dann mußte er froh sein, wenn man ihn weiter als Laboratoriumsdiener beschäftigte und nicht glatt auf die Straße
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