Atomgewicht 500
glückt... Eine Stellung im andern Lager — er könnte uns wertvolle Informationen geben! Aber verdammt gefährlich! Na, er muß riskieren, dafür wird er bezahlt — aber in die Büroakten darf die Korrespondenz nicht kommen.”
Mr. Spinner erhob sich und trat zu einem großen Bücherschrank. In goldgepreßten Lederbänden leuchteten ihm daraus die englischen Klassiker entgegen. Ein Druck auf einen verborgenen Kontakt, und ein Elektromotor begann zu schnurren. Geräuschlos schob sich der ganze Schrank zur Seite. Eine Stahltür in der Zimmerwand wurde sichtbar, die Mr. Spinner mit einem komplizierten Schlüssel aufschloß, und das Innere eines Tresors lag offen da. Der Nachrichtenchef griff nach einem Aktendeckel und legte den Brief aus Detroit hinein.
„Bericht White - U. C”, schrieb er mit Rotstift auf den Deckel und legte ihn in den Tresor. Dann schnappte die Stahltür wieder zu, und der Bücherschrank rollte an seinen alten Platz zurück. Mr. Spinner ließ sich am Schreibtisch nieder und griff zur Feder, um einen Brief an Tom White zu verfassen. Es wurde ein mehrere Seiten langes Schreiben, und wer den Text so las, wie er auf dem Papier stand, mußte den Eindruck gewinnen, daß ein redseliger alter Onkel seinem Neffen endlose Familiengeschichten auftischte. Das Bild änderte sich aber wesentlich, wenn man sich beim Lesen einer Kartonschablone bediente, die Spinner neben sich liegen hatte. Auf eine Seite dieses wunderlichen Schreibens gelegt, verdeckte sie den größten Teil der Schrift und ließ nur einzelne Worte sichtbar. Dann stand etwas ganz anderes in dem Brief zu lesen. Neue Deckadressen fanden sich darin und eine dringende Mahnung zur größten Vorsicht bei allen weiteren Schritten.
Der letzte Satz, der unter der Schablone zutage trat, lautete:
„Wenn Sie die Stellung bei der U. C. bekommen, versuchen Sie, das Vertrauen Doktor Wandels zu gewinnen. Zu gegebener Zeit lassen Sie durchblicken, daß man ihn bei uns nicht vergessen hat und nicht abgeneigt ist, die Verhandlungen wiederaufzunehmen.”
Mr. Spinner beendete seinen Brief und legte die Schablone in eine Mappe. Unwillkürlich malte er sich dabei aus, wie der Empfänger des Schreibens in Detroit ein Duplikat der Schablone aus seinem Schreibtisch nehmen würde, bevor er sich ans Lesen machte.
Der Briefumschlag, in den der Nachrichtenchef das Schriftstück steckte, trug eine gedruckte Firmenbezeichnung, aber es war nicht diejenige der Dupont Company. Der Aufdruck wies vielmehr auf eine große Konfektionsfirma hin, die durch ihre billige Garderobe in den Staaten bekannt war.
Und schließlich gebrauchte Mr. Spinner noch die Vorsieht, sein Schreiben selbst zum Bahnhof zu bringen und in den Briefkasten des nach dem Westen fälligen Abendzuges zu stecken. Auf diese Weise wurde auch der Post-Stempel „Salisbury” auf den Briefmarken vermieden, der in einem argwöhnischen Beobachter vielleicht Erinnerungen an die Dupont Company wecken konnte.
Mr. Spinner liebte es, in jeder Hinsicht sicherzugehen, und vielleicht beruhten seine zweifellosen Erfolge zum Teil mit auf der Sorgfalt, die er auch auf scheinbare Nebensächlichkeiten verwandte.
Professor Melton war über den Gleichmut erstaunt, mit dem Dr. Wandel die Mitteilung entgegennahm, daß der Professor die Versuche mit dem neuen Autoklav ohne ihn durchführen wollte.
„Ganz, wie es Ihnen beliebt! Sie haben darüber zu bestimmen”, hatte der Doktor nur kühl und kurz erwidert und war in sein Zimmer zu den theoretischen Berechnungen zurückgekehrt, die ihn schon seit Wochen beschäftigten.
Professor Melton war sich nicht klar darüber, ob die Ruhe Dr. Wandels echt oder nur gemacht sei. Das aber wußte er sicher, daß er selbst sich in einer höchst unruhevollen Stimmung befand, und diese Stimmung wurde nicht besser, wenn sein Blick auf die mächtige dunkelschimrnernde Stahlkugel in dem großen Laboratorium fiel. Immer mehr kam's ihm so vor, als ob das nicht ein toter physikalischer Apparat sei, sondern ein lebendiges, unheil dräuendes Wesen, das ihn tückisch anfunkelte. Schon kamen gelegentlich Minuten, in denen er es fast bereute, daß er die Versuche mit dem unheimlichen Gerät nicht dem deutschen Doktor überlassen hatte. Doch dann war es immer wieder Phil Wilkin, der ihm mit irgendeiner scheinbar zufällig hingeworfenen Bemerkung den Rücken steifte und die Durchführung der vorbereiteten Arbeiten weitertrieb.
Glücklicherweise hatte Dr. Wandel ein Manuskript in die Akten des
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