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Attack Unsichtbarer Feind: Ein neuer Fall für Special Agent Pendergast (German Edition)

Attack Unsichtbarer Feind: Ein neuer Fall für Special Agent Pendergast (German Edition)

Titel: Attack Unsichtbarer Feind: Ein neuer Fall für Special Agent Pendergast (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Preston
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Gesicht. Mein erster Impuls war, mich an ihm vorbeizudrängen, aber etwas in seinem Blick hielt mich davon ab. Ich gestehe, dass auch ich fasziniert war – auf eine ethnologische Art, Doyle, Sie kennen das ja am besten – von diesem wettergegerbten Menschen, diesem ungeschliffenen Barden, diesem trinkfreudigen Bergarbeiter, und dass ich neugierig darauf war, zu erfahren, was er für eine ›gute Geschichte‹ hielt. Und so habe ich ihm gelauscht, und zwar recht aufmerksam, weil sein Akzent kaum zu verstehen war. Er nahm mich beiseite und sprach von Geschehnissen, die sich einige Jahre zuvor zugetragen hätten, nicht lange nach Beginn der Streiks in den Silberminen, aus denen Roaring Fork hervorgegangen ist. Im Laufe eines Sommers hatte ein Grizzlybär – so glaubte man jedenfalls – begonnen, die Berge oberhalb der Stadt zu durchstreifen und einsame Bergarbeiter, die in ihren Grubenfeldern arbeiteten, anzugreifen, zu töten …
und
zu verspeisen.«
    Doyle nickte heftig; er wirkte konzentriert, höchst interessiert.
    »Selbstverständlich brach in der Stadt absolute Panik aus. Doch die Morde gingen weiter, denn es lebten ja viele einsame Männer in den Bergen. Der Bär war gnadenlos, er überfiel die Bergarbeiter aus dem Hinterhalt, vor ihren Hütten, tötete und zerstückelte sie auf barbarische Weise – und tat sich schließlich gütlich an ihrem Fleisch.« Wilde hielt inne. »Ich hätte gern gewusst, ob dieser, ähm,
Verzehr
sich fortsetzte, während die Opfer noch bei Bewusstsein waren. Können Sie sich vorstellen, wie es ist, bei lebendigem Leibe von einem wilden Tier verschlungen zu werden? Zuzusehen, wie es einem das Fleisch herausreißt, dann kaut und schluckt, mit sichtlicher Befriedigung? Das ist eine Vorstellung, die noch nicht einmal Huysmans in seinem
Gegen den Strich
ersonnen hat. Schade, wie phantasielos der Ästhet war, im Rückblick!«
    Wilde blickte Doyle an und sah die Wirkung, die seine Worte auf den Landarzt hatten. Doyle hatte zu seinem Glas Rotwein gegriffen und einen großen Schluck daraus genommen. Pendergast, der zugehört hatte, trank ebenfalls einen Schluck, dann gab er dem Kellner ein Zeichen, er solle die Speisekarte bringen.
    »So mancher Bursche versuchte, den Grizzly aufzuspüren«, fuhr Wilde fort, »aber keiner hatte Erfolg – bis auf einen Bergarbeiter, einen Mann, der die schöne Kunst des Fährtenlesens erlernt hatte, als er bei den Indianern lebte. Er entwickelte die Idee, dass die Morde nicht das Werk eines Bären seien.«
    »Nicht das Werk eines Bären, Sir?«
    »Nicht das Werk eines Bären, Sir. Und so hat sich dieser Bursche, der bis zum nächsten Mord wartete – er hieß Cropsey –, auf Spurensuche begeben, wobei er bald herausfand, dass es sich bei den Tätern, die diese Greueltat begangen hatten, um eine Gruppe von Männern handelte.«
    Daraufhin lehnte sich Doyle ziemlich unvermittelt nach hinten. »Ich muss doch bitten, Mr. Wilde. Wollen Sie damit sagen, diese Männer seien … Kannibalen gewesen?«
    »Ja, durchaus. Amerikanische Kannibalen.«
    Doyle schüttelte den Kopf. »Monströs. Ungeheuerlich.«
    »Ganz genau«, sagte Wilde. »Sie haben nicht die guten Manieren Ihrer englischen Kannibalen.«
    Doyle schaute seinen Tischnachbarn entsetzt an. »Mit so etwas spaßt man nicht, Wilde.«
    »Vielleicht nicht. Wir werden sehen. Jedenfalls, unser Cropsey spürte die Kannibalen in ihrer Höhle auf, einem stillgelegten Minenschacht irgendwo in den Bergen, an einem Ort namens Schmugglerwand. Es gab natürlich keine Gendarmerie in der Stadt, und so organisierte dieser Bursche eine kleine Gruppe örtlicher Vigilanten. Sie bezeichneten sich als das Komitee der Sieben. Sie hatten vor, den Berg nachts im Schutz der Dunkelheit emporzusteigen, die Kannibalen zu überraschen und das primitive Gesetz des Wilden Westens zu vollziehen.« Wilde spielte mit seiner
bouttonière.
»Schon am nächsten Tag, um Mitternacht, versammelte sich die Gruppe im örtlichen Saloon, um das Vorgehen zu besprechen und sich zweifellos für die bevorstehenden Strapazen zu stärken. Dann verließen sie den Saloon durch eine Hintertür, schwer bewaffnet und mit Sturmlampen, Seilen und einer Fackel ausgerüstet. Und hier, mein lieber Doyle, nimmt die Geschichte … nun ja, um es nicht allzu fein auszudrücken, eine ziemlich gespenstische Wendung. Bitte wappnen Sie sich, seien Sie ein guter Junge.«
    Der Kellner brachte die Speisekarte, und Pendergast widmete sich ihr. Drei, vier Minuten

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