Attila - Die Welt in Flammen
die Fässer voll Sand, die als Ballast dienten, nach oben trieben. Das Schiff ächzte und fing an, sich bedenklich nach vorn zu neigen. Der Hauptmast ließ ein unheilvolles Knarren vernehmen.
«Zieht, was ihr könnt, wenn euch euer Leben lieb ist!», brüllte Aëtius. Bald schon krachte die
Haifisch
gegen das Achterdeck der
Cygnus
, das mehr und mehr in die Höhe ragte, je mehr Wasser vorne am Bug in den Schiffsleib strömte.
Und das Heck hob sich stetig höher, näherte sich immer mehr dem hoch armierten Deck des Piratenschiffs. Der Schiffsführer stieß langsam die Luft aus, seine Anspannung ließ merklich nach. Die Bohlen und Balken seiner geliebten
Cygnus
knarrten und ächzten, das arme Schiff barst gerade aus allen Nähten und diente doch noch im Todeskampf als unerwartetes Belagerungsgerät, um an Bord der
Haifisch
zu gelangen, die hilflos an ihrem Haken hing. Jähe Hoffnung keimte in ihm auf, und rückhaltlose Bewunderung für diesen starrsinnigen Aëtius. Heermeister des Westens war er doch, oder? Dann befand sich der Westen vielleicht ja doch in guten Händen.
«Mehr Ballast ins Vorschiff!»
Auf einem untergehenden, unter Beschuss stehenden Schiff ein scheinbar verrückter Befehl, aber der Schiffsführer hatte inzwischen verstanden. Ein paar der sonnenverbrannten Seeleute sprangen über das straff gespannte Seil, an dem der Enterhaken hing, und rollten die letzten Sandfässer über das schon stark geneigte Deck hinunter ins Vorschiff. Der Bug versank noch tiefer im Wasser und riss dabei die
Draco
mit dem Rammdorn, der weiter in ihrem Rumpf steckte, mit in die Tiefe. Das Achterdeck hob sich noch mehr in die Höhe.
Aëtius wandte sich lächelnd den Prinzen zu. «Dicht genug für eure Wolfskrieger? Was meint ihr?»
Theoderich nickte. «Kein Problem.»
«Dann also los.»
«Wolfskrieger!» Der alte gotische Schlachtruf.
Darauf hatten die Krieger nur gewartet, die es in der übel riechenden, zunehmend nassen Finsternis unter Deck kaum noch aushielten. Einer nach dem anderen kamen sie heraufgestürmt, in voller Rüstung, das glänzende Schwert in der Faust, erfüllt von wilder, durch ihre Furcht noch angefachter Angriffslust. Die Piraten sahen mit Schrecken, was für eine Flut roter Umhänge und flachsgelber Helmbüsche von dort unten an Deck drängte. Mit wem um alles in der Welt hatten sie sich eingelassen? Das war kein normales Schiff. Sie würden von Glück sagen können, wenn sie hier lebend herauskamen.
Die Besatzung der auf so verhängnisvolle Weise mit der
Cygnus
verkeilten
Draco
hatte den Beschuss nun eingestellt und stand unschlüssig an Deck herum. Beim Auftauchen der Wolfskrieger aber begriffen sie, dass nunmehr der Kampf um die
Haifisch
entbrennen würde, das einzige der drei Schiffe, das noch seetüchtig war. In Windeseile schwangen sie sich über die Reling ihres eigenen, leckgeschlagenen Schiffes und sprangen hinab auf das Vordeck der
Cygnus
, das inzwischen nur noch knapp aus dem Wasser ragte. Von dort versuchten sie zum Heck zu gelangen, kamen aber auf dem rutschigen, steil in die Höhe ragenden Deck nur unter größten Mühen voran. All jene, die sich mühsam nach oben kämpften, wurden von drei Männern mit gezückten Schwertern in Empfang genommen, zwei blondgelockten Jünglingen und einem nicht mehr ganz jungen Mann mit grauem Haar und einem Blick in den kalten hellen Augen, der darauf schließen ließ, dass dies nicht sein erster Kampf war. Bald schon floss das Vandalenblut in Strömen und machte das Deck noch glitschiger. Eine kurze Weile behaupteten Aëtius, Thorismund und Theoderich sich ganz allein an dieser Front, hieben und stachen mit ihren Schwertern erbarmungslos auf die herandrängenden Piraten ein, die leblos ihren Kameraden entgegensanken. Dann flogen von der Seite auch noch die Pfeile der visigotischen Bogenschützen heran, und die Piraten der
Draco
mussten einsehen, dass der Kampf ebenso verloren war wie ihr Schiff. Zu spät begriffen sie, welches Unheil sie an diesem sonnigen Sommertag durch den törichten Angriff auf diese Leute provoziert hatten. Die Lage war aussichtslos. Wer noch lebte, hechtete ins Meer hinunter.
Der kleinen Schar abgerissener Piraten auf der
Haifisch
erging es ähnlich. Daran gewöhnt, Schiffe voll wehrloser Reisender in ihre Gewalt zu bringen, um Lösegelder zu erpressen oder schwerfällige, mit dickbauchigen Amphoren voll Öl und Wein beladene Frachtschiffe zu kapern, waren sie völlig entgeistert, als die fünfzig langmähnigen gotischen
Weitere Kostenlose Bücher