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Attila - Die Welt in Flammen

Attila - Die Welt in Flammen

Titel: Attila - Die Welt in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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vorgeführt, der sie zu ihrer Verblüffung in ihrer eigenen Muttersprache verhörte, die er fließend beherrschte. Folter war nicht nötig: Schon bald gestanden sie alles.
    Insgesamt sechs Termiten waren durch Aëtius’ List zum Vorschein gekommen: vier Männer und zwei Frauen, darunter eine Hebamme. Obwohl sie jederzeit heimlich ein neugeborenes Kind der kaiserlichen Familie hätte vergiften können, war sie ihrer Arbeit offenbar immer gewissenhaft nachgegangen. Vielleicht war ihr weibliches Zartgefühl ja stärker gewesen als die Treue ihrem Herrn Attila gegenüber.
    Diesen sechs Hunnen übertrug Aëtius die Aufgabe, Attila die Überreste des Verräters Pytheas und das Eisen zu überbringen.

6. DIE GEKREUZIGTEN
    U nweit der Trümmer einer einst prächtigen Stadt wurden die sechs vom Hof in Konstantinopel verstoßenen Hunnen fündig: Auf den Weiden dort hatte Attila sein Lager aufgeschlagen. Sie sahen sich bestürzt um. Die Hebamme stieß einen leisen Schrei der Verzweiflung aus, merkwürdig anzuhören. Was kümmerte sie das Schicksal dieser Stadt? Während ihrer Zeit am Hof des christlichen Kaisers hatte sie zuverlässig Kinder zur Welt gebracht. Hin und wieder hatte sie, wie die anderen, ihrem Volk brieflich übermittelt, was sie über die Vorgänge im Palast herausgefunden hatte, Einzelheiten über Verteidigungsanlagen, Bollwerke, doch mit der Zeit hatte sie sich dort auch eingelebt. Dann war sie eines Nachts durch den Ruf «Feuer!» in ihrer Sprache aus dem Schlaf gerissen worden und hatte sich verraten, weil sie, genau wie ihre Gefährten, Wasser holen wollte. Sie hatte jahrelang dabei geholfen, neues Leben zur Welt zu bringen. Hier dagegen wurde das Leben massenhaft ausgelöscht.
    Dichter schwarzer Rauch hing über der brennenden Stadt und zog unheilvoll über das Lager ihrer eigenen Leute hinweg. Jener, die einst ihre eigenen Leute gewesen waren, dachte sie und erschrak über ihre verräterischen Gedanken. In seinem schlichten Zelt, unter einer schwarzen Wolke des Todes, saß König Attila. Der Große Tanjou. Sie hatte im Palast mit ihren tüchtigen Händen Frauen dazu verholfen, Mütter zu werden. Unterdessen hatte ihr mächtiger Gebieter Frauen zu Witwen gemacht.
    Einer der Männer ließ den Sack vor Attilas Thron auf den Boden fallen.
    «Was habt ihr mir mitgebracht?», fragte der König mit glitzernden Augen, das Kinn in die Hand gestützt.
    «Die Überreste des Verräters Pytheas, des Eunuchen», antwortete der Mann.
    «Verräter? Wen hat er denn verraten?»
    «Den Kaiser, Theodosius», stammelte er. «Er ist enttarnt worden. So wie wir auch.»
    «Wenn er unseren Feind verraten hat, war er doch unser Freund. Nein? War er da kein Held des Hunnenvolkes?»
    Die sechs ließen niedergeschlagen die Köpfe hängen. Nun gab es nirgendwo auf Erden mehr Zuflucht für sie.
    Attila steckte die Hand in den Sack und holte die Tonscherbe heraus, von der er die hunnische Redensart vorlas: «‹Gold für meine Freunde, Eisen für meine Feinde›. Ich weiß, wer das geschickt hat», murmelte er versonnen und blickte dann auf. «Was war euer Eindruck von Heermeister Aëtius? Seid ihr ihm begegnet?»
    Sie zögerten, bis einer sich ein Herz fasste. «Er ist ein Mann von sehr energischer Wesensart, Herr.»
    «Ach ja? Soso.»
    Als Nächstes zog er eine schrumpelige, blutverkrustete Hand aus dem Sack.
    Eine Gestalt war lautlos hinter seinen Thron getreten: Enkhtuya, die Hexe. Attila schien ihre Gegenwart zu spüren, ohne sich umsehen zu müssen, und er erriet auch, was sie haben wollte. Wortlos reichte er ihr das grausige Objekt. Sie verbarg es in ihrem Umhang und schlüpfte hinaus.
    Er wandte sich wieder den sechs Rückkehrern zu. «Sie haben versucht, mich umzubringen.» Sie waren starr vor Angst, wussten nicht, worauf ihr Herr hinauswollte. «In meiner Jugend.» Er rieb sich über den Bart. «‹Der Verräter Pytheas›», murmelte er. «Sieh an, sieh an.» Er musterte sie mit glitzernden Augen und tat dann seinen Entschluss kund. «Verhandlungen sind lästig. Rache ist einträglich. Alle werden büßen.» Dann gab er Befehl, die sechs abzuführen und außerhalb des Lagers zu kreuzigen, die Frauen ebenso wie die Männer.
    Seine Wachen fesselten die sechs und führten sie ab.
    Am Zeltausgang kauerte eine sonderbare kleine Gestalt in einem abgerissenen alten Hirschlederwams, das mit schwarzen Strichmännchen bemalt war. Beim Anblick der Todgeweihten barg das Männlein den Kopf in den Armen wie ein Affe, der sich vor dem

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