Attila - Die Welt in Flammen
ein.
Der Kaiser sah Aëtius mit leuchtenden Augen an. «Siehst du, wir
können
verhandeln! Der Kaiserin wird nichts geschehen. Sie wollen Frieden schließen.»
«Sie wollen keinen Frieden schließen. Die sind bloß als Kundschafter hier. Das ist eine Finte Attilas. Fallt nicht darauf herein. Die Gesandten dürfen auf keinen Fall die Mauern zu sehen bekommen, lasst ihnen die Augen verbinden. Lasst sie mit niemandem in Kontakt treten, sperrt sie am besten in einer Zelle ein.»
Der Kaiser aber hörte ihm vor lauter Erleichterung schon gar nicht mehr zu. Theodosius verabscheute den Krieg, und zwar mit einer Heftigkeit, wie sie sonst nur bei jenen anzutreffen ist, die das blutige Gemetzel des Schlachtfelds aus eigener Anschauung kennen. Der Tod in der Schlacht ist wahrlich kein schöner Tod. Und aus eben diesem Abscheu vor dem Krieg hatte er den heranrückenden Barbaren und ihrem schrecklichen König bereits Emissäre entgegengesandt, die um Frieden nachsuchen sollten. Was konnte er ihnen im Austausch anbieten? Land? Ihr eigenes Königreich südlich der Donau? Vielleicht sogar die ganze Provinz Moesia? Bisher war zwar noch keiner der Emissäre zurückgekehrt, aber er entschied, dass es nun an der Zeit war, den General über diesen Schritt aufzuklären, von dem er noch nichts wusste. Die Reaktion fiel heftig aus.
«Die Emissäre sind noch nicht zurückgekehrt, Eure Ewige Majestät, weil ihre Leichen bereits von Krähen zerfressen an Bäumen längs der Via Egnatia hängen!»
Aëtius vermochte seinen Zorn kaum zu zügeln. Im Westen, das wusste er aus einem Brief von General Germanus, begingen immer mehr der einfachen Soldaten Fahnenflucht. Die Nachricht von der Vernichtung der östlichen Feldarmee am Utus hatte sich wie ein Lauffeuer verbreitet, und nun griff der Schwund sogar schon auf die westliche Armee über. Terror, da hatte Attila recht, war eine mächtige Waffe; und billig noch dazu. Wenn die westlichen Legionen endlich in Marsch gesetzt werden und nach Osten segeln könnten, drängte Aëtius in seiner Antwort, könnte womöglich schon der Einsatz selbst ihnen neuen Mut einflößen. Galla Placidia hatte sich bemüht, in diesem Sinne auf ihren Sohn einzuwirken, aber Valentinian und seine Berater blieben hart: Die westliche Armee durfte keinesfalls ausrücken, sie diente vorrangig der Verteidigung des Westens. Germanus schloss mit den besten Wünschen für seinen Befehlshaber und verlieh der Hoffnung Ausdruck, dass den Hunnen im Osten doch noch wirksamer Widerstand entgegengesetzt werden könnte. Aëtius schrieb zurück, dass er vorläufig nur auf Mauern vertrauen könne, aber nicht auf Männer.
Theodosius ließ sich durch Aëtius’ Wutausbruch nicht aus der Fassung bringen. Kühl entgegnete er, dass alle Menschen im Grunde ihres Herzens die Vernunft lieben.
Aëtius ballte höchst unvernünftig die Fäuste. Erregt schritt er vor dem Kaiser auf und ab.
«Ist ein Mann noch vernünftig, wenn er liebt?», rief er. «Oder eine Frau, wenn sie ihr Kind gegen ein wildes Tier verteidigt? Wenn sie, bewaffnet nur mit ihrem Zorn, einen hungrigen Löwen mit bloßen Händen abwehrt, oder mit einem läppischen Messer, das sie vom Tisch gerissen hat? Und am Ende siegt sie sogar, weil sie für alles kämpft, was sie liebt, während der Löwe es lediglich auf etwas zu fressen abgesehen hat und sich bald feige trollt.»
«Du hast das schon selbst mit angesehen?» Theodosius schaute ihn mit großen Augen an.
Aëtius musste sich stark beherrschen. Der so belesene und gebildete Kaiser offenbarte bisweilen eine erschreckende Unbedarftheit. «Ich habe mich bildlich ausgedrückt, Eure Majestät. Die Vernunft ist nicht alles, das wollte ich damit sagen.»
Er bemühte sich – in aller Vernunft –, darzulegen, was er über Attila wusste, wie er ihn einschätzte, welche Vorstellung der Anführer der Hunnen von sich selbst und seinem vermeintlich vorbestimmten Schicksal hatte.
Der Kaiser hörte mit gerunzelter Stirn zu. «Aber das ist doch Wahnsinn!», sagte er schließlich fassungslos. «Das klingt ja beinahe so, als würde Attila einzig das Ziel verfolgen, sich für Kränkungen zu rächen, die er als Kind erlitten hat – und zwar in Form von völliger Zerstörung!»
«Seine Feinde zu vernichten, bereitet ihm das süßeste Vergnügen, und seine Feinde sind all jene, die ihn und sein Volk seiner Auffassung nach jemals gekränkt haben. Je mehr er vernichtet, desto stärker wird er. Versucht man ihn mit Gold zu kaufen, macht ihn
Weitere Kostenlose Bücher