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Attila - Die Welt in Flammen

Attila - Die Welt in Flammen

Titel: Attila - Die Welt in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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schnupperte an dem Briefbogen und stellte fest, dass er tatsächlich mit Parfüm besprengt war. Dann zerknüllte er ihn und warf ihn ins nächste Kohlebecken.
    * * *
    Und so kam es, dass ich, Priscus, an jenem Tag hoch zu Ross mit dem Mann, den ich weiter als meinen geliebten Schüler betrachtete, zu der gefährlichsten Reise meines Lebens aufbrach. Ständig auf dem Seeweg zwischen Italien und Konstantinopel zu pendeln, war schon schlimm genug, aber diesmal ging es praktisch ins wilde Skythien! Ich nahm eine kleine Flasche sehr starken, gesüßten Rotwein mit, um mich warmzuhalten; und nicht nur eine Wolldecke, sondern deren zwei.
    Derart gerüstet, fieberte ich meinem ersten Auftritt auf der Bühne der Historie entgegen, in einer, wie ich hoffte, möglichst kurzen Szene. Schon das öffentliche Theater ist schlimm genug, wo man als Schauspieler stets damit rechnen muss, ausgebuht und mit faulem Obst beworfen zu werden, doch das ist nichts im Vergleich zur Bühne der Historie, auf der gar mancher Auftritt für die Akteure ein vorzeitiges, tödliches Ende nimmt.
    Zu meinem Gepäck gehörten außerdem zahlreiche Rollen Pergament, um dieses historische Ereignis festzuhalten. In der Nacht träumte ich, ich würde sie bereits lesen, und dass ich meinem Bericht den Titel «Eine Reise durch die dreizehn Städte der verheerten Lande» gegeben hätte.
    * * *
    Wir verließen die Stadt an jenem Morgen durch das Goldene Tor und ritten am Marmarameer entlang auf der Via Egnatia nach Westen. Auf dieser uralten Straße reisten Menschen nun seit sechshundert Jahren nach Thessalonika und weiter über die Dinarischen Alpen bis zur Adriaküste bei Dyrrachium. Wir aber würden uns vor Thessalonika von der Küste weg nach Norden wenden und unsere Reise durch das hügelige Hochland fortsetzen. Die Wolfskrieger und ihre beiden Prinzen ritten auf edelsten kappadokischen Schimmeln aus dem kaiserlichen Gestüt, zumindest so weit war der Kaiser seinen Verbündeten entgegengekommen. Dennoch trauerten die Goten weiter um ihre eigenen Schlachtrösser, die auf der Überfahrt im Meer ertrunken waren.
    Unter dem Spätsommerhimmel, der dicht bezogen war mit dunklen Gewitterwolken, wurde Aëtius von allerlei düsteren Gedanken geplagt. Die Schlacht am Utus: Würde sie unter diesem Namen in die Geschichte eingehen – falls überhaupt? Der Anfang vom Ende, so stand zu befürchten, eine noch verheerendere Niederlage als damals bei Adrianopel, siebzig Jahre zuvor. Sechs Legionen ausgelöscht. Nicht zu vergessen die beiden ebenfalls verlorenen Legionen in Viminacium und Ratiaria. Seither, davon ging er aus, waren noch mehr Städte zerstört worden. Ein Segen, dass er das nicht hatte mit ansehen müssen; doch was sich dabei für blutige Szenen abgespielt hatten, konnte er sich nur zu gut vorstellen.
    Inzwischen setzten sie also sogar schon Geschütze ein und Reiterei, mit der sie Sturmangriffe ritten. Keine leichtfüßig heranpreschenden Reiterkrieger mehr, die einen todbringenden Pfeilhagel abschossen, sondern eine schwere Reiterei, frisch ausgerüstet durch die Waffenschmieden in Ratiaria, die in die entgeisterten byzantinischen Linien vordrang und sie in Stücke schmetterte. Er sah es lebhaft vor sich, die umherfliegenden Schildsplitter und Zähne und Gliedmaßen, die zum Schrei aufgerissenen Münder der Männer, die mit den Armen rudernd von ihren Pferden geschleudert und im sich blutig färbenden Matsch niedergetrampelt wurden. Die Hunnen hatten rasch dazugelernt. Sie hatten sich nicht nur die eisengeschuppten Rüstungen ihrer getöteten Feinde angeeignet, sondern wussten auch die seitlich eingelegten, fest unter den Arm geklemmten Lanzen sachgemäß einzusetzen. Wieder sah er es vor sich, sah ihre stämmigen kleinen Pferde, die mit vorgereckten, klobigen Köpfen herangeprescht kamen, wie Rammböcke in die byzantinischen Linien stießen, sah Männer durch die Luft wirbeln, sah die wild verdrehten Augen von Pferden, als würden sie von Stieren aufgespießt, sah, wie römische Pferde sich unter dem Aufprall aufbäumten und ins Taumeln gerieten, sah Reiter in hohem Bogen im Getümmel landen, sah hilflos auf dem Rücken liegende, wild mit den Hufen auskeilende, vor Todesangst wiehernde Pferde mit gelb gebleckten Zähnen, hörte förmlich dieses grässliche Gewieher, meinte den ekelerregenden Gestank von Blut und aufgerissenen Därmen wahrzunehmen, sah die von Blut und Gekröse glitschige Erde vor sich, das ganze Grauen …
    «So tief in Gedanken,

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