Attila - Die Welt in Flammen
Gesicht mit den ausgeprägten Wangenknochen.
«Ich habe ja in alten Sagen schon von verzückten Mädchen gehört, die ihren göttlichen Verführern ganz und gar verfallen sind», sagte Aëtius. «Aber das hier ist einfach lächerlich!»
«Eure Frauen würden viel lieber mit uns ziehen, was, Römer», triumphierte Chanat.
Aëtius machte eine ärgerliche Geste. «Schafft sie fort.»
* * *
Im Morgengrauen sattelte er vor dem Tor sein Pferd, Prinz Theoderich und zwei der Wolfskrieger begleiteten ihn. Ariobarzanes kam den gepflasterten Weg herab, um ihnen alles Gute zu wünschen. Er blieb neben Aëtius stehen. Seine alte Hand auf dem Stock zitterte, doch seine Stimme klang fest und entschlossen.
«Kein Gedanke an Aufgabe», schärfte er ihnen ein. «Die Männer von Azimuntium ergeben sich niemals. Nie! Wir haben unsere Forderungen. Wir wollen unsere Herden wieder haben, jedes einzelne Tier, das uns genommen wurde, und die Hirten, die sie versklavt haben. Erst dann werden wir ihnen den Gefangenen ausliefern, diesen Chanat, dann dürfen die Hunnen unbehelligt in ihr Land zurückreiten.»
Aëtius lächelte. Er mochte die Einstellung dieses alten Mannes.
«Alle Barbaren gleichen sich», sagte Ariobarzanes. «Sie verachten Schwäche und bewundern Stärke.» Er dämpfte die Stimme zu einem Murmeln. «So wie einst Rom.»
Aëtius gab seinem Pferd die Sporen, und sie ritten davon. Unbewaffnet. Über ihnen flatterte die weiße Fahne des Waffenstillstands.
Sofort scharte sich ein Trupp Hunnen auf Ponys um sie, Pfeil und Bogen waren auf ihr Herz gerichtet.
«Nicht nötig. Wir haben keine Waffen», sagte Aëtius.
Die Gesichter der Hunnen zeigten keinerlei Regung, ihr Blick blieb hart und ausdruckslos. Im Vergleich zu den Wolfskriegern waren sie klein. Sie ritten halbnackt, Arme und Brustkorb bestanden nur aus Muskeln und Sehnen.
«Wer ist der Anführer eurer Gruppe?», fragte Aëtius.
Einer der Krieger deutete auf ein schwarzes Zelt und grunzte. Sie stiegen ab und wurden in das Zelt gebracht. Drinnen, im Dämmerlicht des frühen Morgens, saß der Herrscher Attila auf einem einfachen hölzernen Schemel.
Er betrachtete sie schweigend. Die Atmosphäre unterschied sich grundlegend von der Begegnung bei der Gesandtschaft – der vermeintlichen Gesandtschaft.
Geraume Zeit fiel kein einziges Wort. Dann kam noch eine Person herein, ein kleiner, possierlicher Schamane mit Bändern im Haar. Er hatte ganz weiche, jungenhafte Wangen, aber seine Augen waren alt und listig, und sein zu einem Knoten zusammengebundenes Haar war von schmutzigem Grau.
«Die Jahre laufen rückwärts, Kleiner Vater», murmelte er, als er sich Aëtius vorsichtig näherte und ihn anstarrte. «Dieses prächtige Schlachtross habe ich schon mal gesehen, als junges Füllen, das über die Felder der Hunnen sprengte.» Er blickte sich zu Attila um. «Er zog das Schwert, Weißer Junge zog das Schwert.»
Attilas funkelnde gelbe Augen ließen nicht von Aëtius ab, nun aber gebot er dem Schamanen mit einem Wink zu schweigen.
«Wo es plätschert, Kleiner Vogel, ist das Wasser nur seicht.»
Der Schamane achtete nicht auf ihn und hüpfte immer ausgelassener herum, wenn auch langsam, ein arthritischer alter Narr auf müden Beinen. «Die Jahre laufen rückwärts, ja, sie laufen rückwärts. Oh, dein Onkel Ruga, ganz ein Kluger, er streckte dich nieder, wie warst du doch als Junge immer übermütig, kaum aus dem Schoß der Mutter gekrochen, die Nabelschnur gekappt, stelltest du Unfug an. O Schrecken der Welt, Großer Tanjou, mein Herr und Witwenmacher, du Geißel Gottes und was du sonst noch für prächtige Titel verliehen bekamst, er schlug dich, dein Onkel Ruga, und der weiße Junge zog sein Schwert, um dich zu verteidigen. Ihr jagtet zusammen, ihr scherztet auf den sonnigen Ebenen eurer Jugend.» Kleiner Vogel hielt inne, um Luft zu holen. «Oh, dieser große Eber! Er war riesig, und als ihr ihn endlich nach Hause schleiftet, roch er schon ganz ranzig. Was für Narrengötter auf euch herabblicken! Er war dein Freund. Und nun blickt euch an – zwei alte Büffel, die um ihre Herde kämpfen!»
Eine lange Stille trat ein, und dann, als könne er nicht direkt mit Aëtius sprechen, wandte sich Attila stattdessen an Prinz Theoderich.
«Aha, da hätten wir also wieder mal einen Visigotenfürsten im Lager der Hunnen. Ich hatte nicht das Vergnügen, Euch kennenzulernen, als Ihr Eure … Botschaft überbrachtet. Ich dachte an anderes, meine bevorstehende Ermordung zum
Weitere Kostenlose Bücher