Attila - Die Welt in Flammen
Gamaliel. «Auch wir werden uns wiedersehen. Ein letztes Mal, glaube ich. Doch das genügt dann auch.» Mit diesen rätselhaften Worten verschwand er in der Menge.
Hauptmann Andronicus erschien, übersät mit Schnitten und Wunden in allen Regenbogenfarben. Er grinste.
«Die Stadt ist nun in Euren Händen, Hauptmann. Aber Ihr werdet Ruhe haben.»
«Ich weiß», sagte Andronicus. «Eigentlich schade!»
Auch Zeno kam schließlich noch.
«Wir schulden Eurem Volk großen Dank. Und nun? Geht’s zurück nach Kilikien?»
Die Augen des Häuptlings glänzten. «Zurück zum Leben als Bandit!»
Aëtius brummte: «Passt auf, dass sie Euch nicht erwischen!»
Und dann waren da noch die vier letzten Überlebenden der VII . Legion. Er sah sie scharf an.
«Nehmt uns in Eure Leibwache auf», sagte Faustriemen, der seine Gedanken erraten hatte. «Außerdem stamme ich ja gar nicht aus dem Osten. Bin keiner von diesen zwielichtigen schlitzäugigen Gesellen, die ihre eigene Großmutter verkaufen würden.»
Arapovian schnaubte verächtlich.
Aëtius betrachtete die beiden anderen, Tatullus und Malchus. Sie sahen entschlossen aus.
«Na schön», sagte er. «kommt an Bord. Aber glaubt bloß nicht, dass euch im Westen Ruhe und Frieden erwarten.»
1. TOD EINER KAISERIN
A ëtius und seine wenigen Gefährten gelangten ins herbstliche Ravenna und mussten feststellen, dass die Stadt völlig panisch war. Sie ritten vom Hafen in Classis über den Damm an den Sümpfen entlang, an stinkenden Tümpeln und Grüppchen von Sumpfweiden vorbei, bis sie die quirligen Straßen der Vorstadt Caesarea erreichten. Dort hörten sie von schrecklichen Kriegsgefechten in der Ferne, von Anzeichen für das Nahen der Apokalypse, und überall gab es Hinweise auf das bevorstehende Ende. Es hieß, Statuen hätten echte Tränen geweint, Austern hätten sich geöffnet und Blut sei hervorgequollen, aus leeren Kirchen dringe nachts der Klang klagender Stimmen. Aus den Wolken war das Klirren von Waffen gedrungen, es hatte zahlreiche Erdbeben gegeben, und die Geister verstorbener Kaiser spukten in den heiligen Palästen. In Rom war sogar Bischof Sebatius ans Grab von Sankt Peter gegangen, um dort zu beten – ihm war dort aber Schreckliches geweissagt worden.
Aëtius lauschte unbeeindruckt. In der Nähe, auf den Stufen einer Kirche, wetterte ein bärtiger Unglücksphilosoph und sagte den Weltuntergang voraus. Vor zwei Tagen, so behauptete er, sei Valentinian zum Jagen gegangen. Plötzlich seien zwei Wölfe wie aus dem Nichts unter dem Bauch des Pferdes aufgetaucht, und der Kaiser sei beinahe gestürzt. Die Wölfe wurden von Speeren durchbohrt und getötet, und als man ihnen den Bauch aufschnitt, fielen lauter abgehackte Menschenhände heraus.
Aëtius schnaubte verächtlich. «Dieser Kaiser geht ganz bestimmt nicht auf die Jagd.» Er funkelte seine Männer an, die hinter seinem Pferd einhergingen. «Jedenfalls haben wir auch ohne Wölfe mit Händen im Bauch genug Probleme. Ihr habt die strikte Anweisung, jeden idiotischen Propheten, der euch über den Weg läuft, zum Schweigen zu bringen!»
Faustriemen schwang sich seine Keule auf die Schulter und ging hinüber zu dem irre dreinblickenden Propheten. Er bahnte sich einen Weg durch die Menge, die auch prompt zur Seite wich. Der Prophet stritt ein wenig mit ihm, bis Faustriemen zufällig die Keule auf die blanken Zehen des Mannes fallen ließ, worauf dieser aufheulte und davonhumpelte. Von Dämonen und Wölfen sagte er kein Wort mehr.
Sie schlugen den Weg zum Palast ein und holten unterwegs Erkundigungen ein.
Ja, Ravenna hatte vom Rückzug der Hunnen aus Konstantinopel gehört, aber bedeutete das nicht schlicht und ergreifend, dass die barbarischen Horden nun auf dem Weg hierher waren? Aëtius gab keine Antwort. Stattdessen versuchte er, in Erfahrung zu bringen, was noch von der Westlichen Feldarmee übrig geblieben war. Doch die einzigen Antworten, die er erhielt, waren, dass es Blitze aus heiterem Himmel gegeben habe und ein Wolfsjunges mitten im Kaiserlichen Palast gefunden worden sei. Und die Sieben Schläfer von Ephesus seien aufgewacht.
Er gab seinem Pferd die Sporen. «Ich muss unbedingt General Germanus finden», murmelte er.
* * *
Die Nachrichten aus dem Kaiserlichen Palast waren auch nicht besser. Ein Kammerherr sagte, der Kaiser sei … unpässlich. Die kaiserlichen Finanzen waren in Unordnung, und die letzte Steuereintreibung war sehr mager ausgefallen. Seit dem Verlust der afrikanischen
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