Attila - Die Welt in Flammen
Knabe, bring uns Wein – Glühwein!»
Glühwein? Was um Himmels willen mochte das sein?
Es blieb keine Zeit für Höflichkeiten. «Also», sagte der alte König, «Ihr werdet Attila auf gallischem Boden gegenübertreten.»
«So scheint es.»
«Weißt du, wie viel Mann er hat?»
«Einhunderttausend.»
Theoderich schüttelte den struppigen weißen Kopf. «Mehr. Zweihunderttausend, denke ich. Sie sind nicht gut mit Proviant versorgt und weit weg von zu Hause, leben also nur von dem, was sie unterwegs erbeuten. Kannst du ausrechnen, wie viel Futter hunderttausend Pferde im Winter brauchen?»
«Eine Menge – jedenfalls mehr, als die Hunnen bedacht haben. Das Land wird kahlgefressen sein!»
«Hungere sie doch einfach aus. Diese Trottel. Deine eigenen Reihen sind gut versorgt, nehme ich an?»
«Natürlich. Wir sind schließlich Römer!»
Theoderich lachte schallend. «Das seid ihr! Gut organisiert wie immer, darauf würde ich meinen Bart verwetten!»
«Wir sind fünfundzwanzigtausend Mann. Die Besten, Bestausgebildeten, Kämpferischsten – und hoch motiviert. Aber es sind und bleiben eben nur fünfundzwanzigtausend Mann.»
Theoderich schüttelte wieder den Kopf, seine Augen schimmerten im Schein des Kohlebeckens. «Das reicht nicht.»
«Wenn die Wolfskrieger der Visigoten mit uns reiten …»
«Nein!», rief Theoderich entschieden. «Vergiss es. Dies ist nicht unser Krieg. Wir sind nicht mit Attila verfeindet. Er kommt, weil er an Rom Vergeltung üben will.»
Der Glühwein wurde serviert, und Aëtius nahm einen Schluck. Er war warm, würzig, honigsüß und ziemlich grässlich. Tapfer schluckte er ihn hinunter.
«Und dann, wenn Rom zerstört ist und Gallien in Schutt und Asche liegt?», fuhr er fort.
«Das werden wir dann ja sehen. Vielleicht wird sich unser Königreich … erweitern. Aber ich werde mein geliebtes Volk nicht für Rom opfern!»
Es herrschte lange Zeit Schweigen.
Schließlich sagte Aëtius: «Gib mir deine Hand.»
Theoderich runzelte die Stirn, hielt ihm aber die riesige Bärenpranke mit einem fetten Ring an jedem Finger hin.
«Wie gefährlich ist ein Wolf, der nur einen Kiefer hat?», murmelte Aëtius.
Nun hatte er Theoderichs Aufmerksamkeit. Denn der liebte Rätsel.
Aëtius begann, die Spitze seines Daumens in Theoderichs Handfläche zu bohren. Theoderich starrte darauf. Was für ein Spiel sollte das werden?
«Tut das weh?»
«Natürlich nicht, du Einfaltspinsel!», brummte der König.
Aëtius bohrte weiterhin mit dem Daumen in die Handfläche des Königs, stach ihm nun aber gleichzeitig mit dem Zeigefinger von unten in den Rücken. Finger und Daumen bildeten eine grausame Zange und gruben sich tief zwischen die schmalen Knochen, versetzten die Nerven in Erregung.
Theoderich stieß seine Hand beiseite. «Sieh dich vor, du … Das hat wehgetan!» Er steckte sie unter die linke Achsel und funkelte Aëtius an. «Und was willst du mir damit zu verstehen geben? Dass ein Wolf mit nur einem Kiefer harmlos ist, einer, dem alle beide fehlen, aber noch viel harmloser – nun, das wusste ich bereits vorher.»
Aëtius bewegte seinen Daumen rasch vor Theoderichs Augen hin und her. «Attila.» Dann den Zeigefinger. «Geiserich.»
Theoderich zuckte die Achseln. «Vielleicht. Ich glaube dennoch nicht, dass die Vandalen und die Hunnen sich gegen Euch verschworen haben, aber vielleicht ist es auch so.»
«Nicht gegen uns», sagte Aëtius ruhig. «Gegen Euch.»
Theoderich sprang auf und ging rastlos im Zimmer auf und ab, die Wände kamen ihm vor, als wollten sie gleich bersten, weil sie zu klein waren, um seine raumgreifende Gestalt aufzunehmen. Als er sich ein wenig beruhigt hatte, nahm Aëtius seine Rede wieder auf.
«Natürlich liegt Geiserich bereits im Krieg mit uns, er kämpft auf Attilas Seite. Seine Schiffe wurden vor Konstantinopel mit einer bösen Überraschung konfrontiert.»
«Das haben mir meine Söhne erzählt. Was für ein Flammenwerfer war das eigentlich?»
«Auf diese Information haben nur unsere Bündnisgenossen Anrecht.»
«Das Gemächt soll dir abfallen!»
Aëtius lächelte. Dann sagte er: «Amalasuntha, Eure Tochter.»
Sofort hellte sich Theoderichs Miene auf.
«Ist sie jetzt mit Geiserichs Sohn verheiratet?»
«Oh ja! Und es vergeht kein Tag, an dem ich nicht ihr süßes Lächeln vermisse, ihr Lachen, so klar wie ein Bach.» Er machte wieder ein ernstes Gesicht. «Weißt du, mein alter römischer Freund, wir stehen uns nahe, die Goten und die Vandalen. Wir
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