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Attila - Die Welt in Flammen

Attila - Die Welt in Flammen

Titel: Attila - Die Welt in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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sich.»
    «Versteht sich.» Aëtius kaute auf seinem Brot. «Ist das nicht genau das, was Christus die ganze Zeit immer wieder zu lehren versuchte? Anstatt über die Armen, über Nächstenliebe und so weiter zu predigen?»
    Endlich dämmerte dem Dechanten, dass Aëtius’ Bemerkungen sarkastisch gemeint waren. Er starrte ihn an. Aëtius lächelte höflich und erhob sich. «Entschuldigt mich. Ich muss mich mit jemand Interessanterem unterhalten.»
    Er zwängte sich zwischen die beiden Prinzen. «Die Kirche», murmelte er, «steht wirklich unter dem Schutz Gottes. Ansonsten hätte sie nicht schon so lange Bestand!»
    * * *
    Am nächsten Tag sattelten Aëtius und sein Gefolge die Pferde und ritten – nüchtern – durch das östliche Tor zurück zu ihrem Feldlager. Dann mussten sie den Hunnen also allein gegenübertreten, in Unterzahl, eins zu zehn. Er brachte sein Pferd zum Stehen und blickte auf seine fünfundzwanzigtausend Mann. Das reicht nicht, hatte Theoderich ja selbst gesagt.
    «Verdammt, warum schließt er sich uns dann nicht an?», knurrte Aëtius für sich. Er zog heftig am Zügel und ritt ins Lager.
    «Ziehen wir heute weiter?», fragte Germanus.
    Aëtius schüttelte den Kopf.
    «Warum zögern wir noch? Ganz Nordgallien steht in Flammen!»
    Aëtius sagte lange Zeit kein Wort. Dann drehte er sich um und blickte auf Tolosa. «Ich kann dir nicht sagen, weshalb, aber wir müssen warten. Nur noch einen Tag.»
    Die Männer murrten und aßen wenig an jenem Abend. Auch schliefen sie schlecht. Warten war das Schlimmste. Jedes Lagerfeuer erinnerte sie an ein brennendes Gebäude, eine weitere Stadt im Flammenschein, und in den Ruinen jeder Feuersbrunst sahen sie die Schatten der Reiter jenes Teufels, die Zerstörung brachten, wo immer sie auftauchten.
    Auch Aëtius hatte das Gefühl, dass etwas Schlimmes bevorstand, aber zugleich wusste er, dass er es abwarten musste. Es gab keinen anderen Ausweg. Und so wie am nächsten Morgen die Sonne aufging, folgte am nächsten Morgen das blanke Entsetzen. Doch mit ihm ging eine Art Rettung einher. Als ihm das klar wurde, wünschte er, die Rettung wäre auf andere Weise gekommen.

6. AMALASUNTHA
    E in Bote bog von der Straße zum Lager ab, ganz steif und kalt von seinem nächtlichen Ritt. Er war im Galopp aus Narbo gekommen. Prinzessin Amalasuntha war Schreckliches widerfahren.
    Aëtius eilte zurück nach Tolosa, wo er direkt die königlichen Gemächer ansteuerte. Schon im Näherkommen hörte er ein schreckliches Geräusch, wie von einem Stier.
    Ein Schiff war aus Karthago gekommen. An Bord befanden sich ein paar gotische Mädchen – und die Prinzessin. Geiserich hatte sie von seinem Hof verbannt, weil er sie verdächtigte, eine Hexe zu sein, die seinen Sohn Hunerich mit einem Zauber belegt hatte. Auf einmal war er überzeugt, dass sie sowohl ihren Ehemann als auch ihren Schwiegervater zu ermorden trachtete. Ausgerechnet sie – ein unschuldiges Mädchen von sechzehn Jahren!
    Doch es kam noch schlimmer.
    Die Verbannten waren unterwegs nach Tolosa. Ein Trupp Wolfskrieger war ausgeritten, um sie zurück nach Hause zu geleiten.
    Niemals würde Aëtius den Eindruck vergessen, den das Mädchen auf ihn gemacht hatte, als er aus einem Fenster oben im Palast in den Hof hinabgeblickt hatte. Jetzt sah er, wie man ihr beim Aussteigen half, und dachte daran, wie er sie nur zwei Jahre zuvor gesehen hatte: Wie ein Wirbelwind war sie mit flatternden langen Haaren auf ihren Vater zugelaufen, hatte ihm die dünnen Arme um das greise Haupt geschlungen und ihn mit Küssen bedeckt. Nun aber …
    Es gab ein Jammern und Wehklagen wie in einer griechischen Tragödie. Die ältliche Königin Amalfrida schien einem Zusammenbruch nahe, während sie sich auf einen ihrer sechs Söhne stützte. Sie war sprachlos vor Kummer. Ein anderer Sohn wandte sich ab, unfähig hinzusehen; einerseits brach es ihm das Herz, seine Schwester so leiden zu sehen, andererseits brannte er vor Rache. Der alte König Theoderich dagegen schloss seine Tochter in die Arme und weinte, presste sie an seine Brust, aber ganz sanft. Denn ihr Kopf war mit blutgetränkten Bandagen verbunden: Geiserich hatte ihr zur Bestrafung für ihre vermeintliche Hexerei Ohren und Nase abgeschnitten.
    Wie in der griechischen Tragödie folgte Kummer auf Kummer, wie ein widerlich sabberndes Rudel Hunde schien er sich unbarmherzig an ihre Fersen geheftet zu haben. Ohne recht zu verstehen, was ihr widerfuhr, als wäre sie ein Pfand, um das

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