Attila - Die Welt in Flammen
letzten, übermenschlichen Kraftanstrengung wuchtete er seine Last in die Höhe und kippte das Fass, aus dem die Flammen wütender denn je loderten und dessen halb verkohlte Holzwände sich bereits aufzulösen drohten, über die Mauerbrüstung. Beim Aufprall auf der Erde zerbarst es mit einem lauten Knall, und zwei oder drei Pferde wurden von glühenden Holzsplittern und umherspritzendem brennendem Teer am Hinterteil getroffen, bäumten sich vor Schmerz auf und warfen sich mit gellendem Gewieher zu Boden, um irgendwie das Brennen an ihrer Haut zu ersticken. Es roch durchdringend nach versengtem Fell. Die hunnischen Reiter krochen von ihren Tieren fort, rappelten sich benommen auf, blickten sich verwirrt um – dann wurden zwei von ihnen in rascher Folge von Pfeilen niedergestreckt. Sie waren auf der Stelle tot. Der Dritte wollte weglaufen, ein Kamerad kam bereits herangaloppiert, um ihn zu packen und hinter sich auf sein eigenes stämmiges Reittier zu ziehen. Doch er wurde von dem nächsten Pfeil in den Rücken getroffen und stürzte tot zu Boden. Sein verhinderter Retter machte blitzschnell kehrt und preschte davon.
Es war Arapovian, der da erbarmungslos seine Pfeile von den Zinnen hinabschickte. Er duckte sich, als die Antwort in Form einer Salve von Hunnenpfeilen erfolgte, die um ihn herum unverrichteter Dinge zu Boden klapperten. Im selben Moment traten die Reiter unten in vollem Galopp den Rückzug an, das kleine Feldgeschütz hinter sich herziehend.
«Jetzt löscht das Dach, oder was davon übrig ist!», schrie Sabinus. «Schafft Ordnung auf dem Eckturm und macht ihn wieder benutzbar. Aber schnell, Beeilung!»
Soldaten der Hilfstruppe rannten los.
Faustriemen schlurfte zu dem Armenier hinüber und schlug ihm auf den Rücken.
«Das war nicht übel», brummte er.
Arapovian wandte sich wortlos zu ihm herum und riss erschrocken die Augen auf. Faustriemens Gesicht war schwarz vor Ruß. Eine der Augenbrauen war zur Hälfte weggesengt, sein struppiger Pony merklich kürzer als zuvor, und sein Haar schien zu kokeln. Der Armenier senkte den Blick und sah noch Schlimmeres: Die schaufelgroßen Pranken des Hünen waren mit großen Brandblasen übersät und bluteten an vielen Stellen. Schweigend brachte er aus seinem Gewand eine kleine Flasche zum Vorschein und reichte sie Faustriemen.
«Trink einen Schluck davon», sagte er. «Armenischer Branntwein. Der beste, den es gibt.»
Faustriemen grunzte und nahm gehorsam die Flasche in Empfang, die in seiner Pranke wie ein Fingerhut wirkte. Er trank ein vorsichtiges Schlückchen. Es schmeckte sehr gut.
«Nur einen Schluck, ja?»
Arapovian nahm ihm den Branntwein wieder ab. «Nur einen Schluck.» Er verkorkte die Flasche und steckte sie wieder ein. «Davon werden wir später noch mehr brauchen.»
«Ach, auf einmal heißt es ‹wir›?»
Arapovian richtete seinen Blick wieder auf die Ebene außerhalb der Mauern. Möglich, dass der Anflug eines Lächelns über seine kühnen Züge huschte. Er bewegte seinen verwundeten linken Arm auf und ab, und dabei sickerte erneut Blut durch den Verband. Trotz der Schmerzen, die er haben mochte, verzog er keine Miene. Dann nockte er den nächsten Pfeil in seinen Bogen ein und wartete.
* * *
Faustriemen wollte an den Zinnen vorbei auf seinen Posten zurückkehren, als Tatullus ihm den Weg verstellte.
Der Zenturio musterte ihn. «Nicht übel», sagte er, «für einen Deserteur.»
«Verbindlichsten Dank, Euer Ehren.»
«Zeig mir deine Hände.»
Faustriemen gehorchte, konnte sich aber einen Kommentar nicht verkneifen. «Ich brauch nicht verarztet zu werden, Herr, wirklich nicht. Ehrlich gesagt, ich hab ein bisschen ein Problem mit Ärzten, seit damals in Colonia, als ich mir dieses äußerst unangenehme Leiden von einer gewissen jungen, aber gleichwohl sehr entgegenkommenden Dame eingefangen habe, und der Arzt dort mich gezwungen hat –»
«Sofort ab ins Lazarett mit dir», schnitt Tatullus ihm barsch das Wort ab. «Das ist ein Befehl.»
Zum ersten Mal an diesem Tag blickte Faustriemen ängstlich drein. Zögerlich und mit sichtlichem Widerstreben machte er sich auf den Weg nach unten ins Lazarett.
Seine Sorgen waren unbegründet. Der Legionsarzt, ein junger, etwas schüchterner Mensch aus Thessalien, verstand sein Handwerk. Zur Linderung der Brandwunden schmierte er Faustriemens Hände dick mit Gänsefett ein, das mit Knoblauch versetzt war. Was zunächst zwar höllisch brannte, sich aber dann, wie er zugeben musste, gar nicht
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