Attila - Die Welt in Flammen
Brennender Hass, der sein Blut in Wallung versetzte. Er zog sein altmodisches Kurzschwert. Der Zorn, nah, in den Adern fließend. Und der ferne Zorn auf dem Schlachtfeld. Jetzt stieg er wieder in ihm auf, in diesem letzten Akt, dieser letzten Szene seines alten, aufgebrauchten Lebens. Sein eigener Tod war schon Vergangenheit, stand längst verzeichnet im alten Buch der Götter. Er schnallte sich den Gürtel an seinem blutenden Bauch noch etwas enger. Dass man keine Angst hatte, das stimmte nicht, dagegen waren selbst alte Soldaten nicht gefeit. Aber sterben musste ein jeder mal. Das Tor würde jetzt nicht mehr lange standhalten. Er blickte ein letztes Mal hoch zu der Bresche. Schlagt euch weiter so heldenhaft, ihr tapferen Legionäre. Lasst sie ihren Sieg teuer erkaufen.
Er bückte sich unter Schmerzen, um den Schild eines seiner toten Soldaten an sich zu nehmen. Behutsam pflückte er die bereits erstarrten Finger des Toten von dem Griff. Und richtete sich wieder auf. Wenn das Tor da vorne schließlich nachgab, würden die Hunnen feststellen, dass ihnen dahinter noch immer ein Römer den Weg verstellte.
Der Ansturm in der Ecke war kurz abgeflaut, und seinen Männern war eine kleine Atempause vergönnt. Ganz krumm vor Erschöpfung standen sie da, mit hängenden Schultern, rechte Jammergestalten, beleuchtet einzig vom Feuerschein der Kohlebecken. Helden, allesamt. Die Feinde vor ihnen hatten sich nach schwerem Aderlass abermals zurückgezogen, mürrisch und voller Zorn. Und in der nun herrschenden Stille hörten die letzten Legionäre jetzt das Geräusch, das Arapovian schon eher wahrgenommen hatte: den verwünschten Onager, der seine Steine schleuderte, und das Knacken und Knirschen des allmählich nachgebenden Südtors. Bald, sehr bald jetzt würden sie eingekreist sein. Wenn das Kastell durch das Südtor überrannt wurde, würde der Feind sie von vorne und von hinten angreifen, ganz gleich, wie sehr sie hier kämpften. Kaum fähig, noch die Köpfe zu heben, sahen sie einander an. Ihre Augen leuchteten. Sie nickten. Helden, allesamt.
Sie sahen sich zu ihrem Kommandanten um, unten an der Mauer. Zu ihnen hinaufklettern konnte er nicht mehr, das wussten sie. Er lehnte unweit der Südmauer, mit dem Kurzschwert in der Faust und einem Schild an der Schulter, und sah zu ihnen hinauf, das Gesicht überzogen von kaltem Schweiß.
Nur einer seiner Männer fand noch die Kraft zu sprechen. «Es war immer eine Ehre, unter Euch zu dienen, Herr!»
Sabinus hob wortlos die Hand. Es war ein Gruß, der ihnen allen galt, ein Gruß unter Gleichen. Die Männer grüßten ihn feierlich zurück. Einige schienen fast zu lächeln.
Und dann krachten splitternd die Torflügel auseinander.
11. DIE KERKER
D ie Linie der letzten Verteidiger löste sich auf, alles stob wild auseinander und flüchtete. Im Nu ergoss sich durch die rasterförmig angelegten Straßen und Gassen des Römerlagers eine Flut johlender, schreiender Reiter, die im Siegesrausch dahinstürmten und miteinander um die Wette galoppierten, um die Mannschaftsbaracken in Brand zu stecken. Sie machten die letzten versprengten Männer der vernichteten Legion erbarmungslos nieder oder fingen sie mit ihren Lassos ein, um sie als geschundene Trophäen durch den Staub zu schleifen. Immer neue Feuersbrünste loderten in der Nacht auf, ihre Zerstörungswut schien unersättlich. Bald schon drängten sie sich um das Stabsgebäude, die Principia, plünderten die eleganten Räumlichkeiten, zerschlugen Vasen und Gläser, zerrten Tische und Ruhebetten hinaus in den Innenhof mit den Säulengängen und ließen sie dort, zu einem hohen Scheiterhaufen aufgetürmt, in Flammen aufgehen. Andere gingen planvoll daran, Säulen und Dachbalken mit Hilfe von Seilen und Pferdegespannen niederzureißen und so das gesamte Gebäude zum Einsturz zu bringen. All dies geschah auf Geheiß des Großen Tanjou, der den Befehl ausgegeben hatte, in dem Kastell keinen Stein auf dem anderen zu lassen. Damit der Name «Viminacium» hinfort im ganzen Reich als ein Sinnbild restloser Vernichtung verstanden würde.
Krieger, von denen sich einige bestickte römische Gardinen als Umhänge um die nackten Schultern geschlungen hatten, drangen auf ihren Pferden ins Fahnenheiligtum ein und zerrten die letzten Legionsstandarten hervor, um sie auf einen der lodernden Scheiterhaufen zu werfen. Dann ließ ihr Anführer sie wissen, dass in einem Kellerraum unter dem Schrein Gold gelagert wurde.
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Hinter der
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