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Attila - Die Welt in Flammen

Attila - Die Welt in Flammen

Titel: Attila - Die Welt in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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Sirren der Mücken, die abends in Scharen aus den Sümpfen herbeigeschwirrt kamen, um über die schlafende Hofgesellschaft herzufallen. Aëtius schlug sich auf den Unterarm.
    Es gab vieles, was sie hätten sagen können, aber manchmal ist es einfach besser, zu schweigen. Sie blickten hinaus ins Dunkel und hingen ihren Gedanken nach, jeder für sich. Gedanken über Verfall und Untergang, über das Ende mächtiger Reiche; darüber, wie die schicksalhafte Bestimmung Roms, seine kulturelle Sendung schon seit längerer Zeit fast bis zur Unkenntlichkeit verblasst war. In ihrem Rücken spürten sie das historische Vermächtnis vieler Jahrhunderte, das ebenso Trost war wie Bürde und teils angenehm, teils unangenehm auf ihnen lastete. Manch großer Kaiser blickte ihnen aus der Vergangenheit entgegen, Augustus, Trajan und Marc Aurel; Konstantin der Große aus dem Hause der Flavier, ein direkter Vorfahr von Flavius Aëtius; und auch Vespasian, dieser bodenständige alte Soldat, der Wert darauf legte, dass seine Porträtbüsten ihn darstellten, wie er wirklich aussah, mitsamt Lachfalten und Halbglatze, und der gerne witzelte: «Wer wissen möchte, ob der Kaiser wahrhaftig ein Gott ist, sollte den Diener fragen, der seinen Nachttopf ausleert.» Noch auf dem Sterbebett zu Scherzen aufgelegt, spottete er: «Ach, ich glaube – ich werde ein Gott!» Nicht alle Kaiser Roms waren dem Wahn der Macht verfallen.
    Die strengen, nüchternen grauen Augen der alten Republik, die die Welt sahen, wie sie nun einmal war, ganz sachlich, und darüber nicht verzagten. Ferne Vergangenheit, versunken im Nebel der Zeit. Kein Scipio oder Cato hatte je Zuflucht bei magischem Hokuspokus gesucht. Heute waren er und Galla und Theodosius die letzten Erben Roms. Wie würde die Geschichte einst über sie urteilen? Was würde ihr Vermächtnis sein?
    Unten in seinem düsteren Gemach frönte der derzeitige Herrscher Roms, von allen guten Geistern verlassen, seinen okkulten Riten. In welch einem Sumpf drohte der Kaiserpalast zu Ravenna zu versinken, in welch einem Morast, den kein Baumeister der Welt trockenlegen konnte! Welches Imperium konnte auf solch glitschigem Grund, dem fauligen Unrat dunkler, längst überwundener Zeiten, festen Halt finden? In unsicheren Zeiten, Endzeiten, verstärkt sich bei Menschen die Neigung, Zuflucht bei fremdartigen Kulten und Praktiken zu suchen. Da sie spüren, wie ihre Macht in der wirklichen Welt schwindet, suchen sie Trost bei einer vermeintlich höheren, gänzlich wahnhaften Macht, bei Irrlehren aller Art und faulem Zauber, der dem Vernünftigen die Schamesröte ins Gesicht treibt. Die Normalität selbst bleibt auf der Strecke, überall greifen Unsicherheit, Furcht und panische Verblendung um sich.
    Und wir, überlegte Aëtius bitter, schmoren untätig vor uns hin: Africa bleibt weiter in Feindeshand, das Reich geht langsam an Hunger zugrunde, und Theodosius, dieser Gelehrte auf dem Kaiserthron, hat unser Hilfsangebot ausgeschlagen. Vielleicht trat er ja eben jetzt seinen Feldzug gegen die Hunnen an, den Kopf voll mit heroischen Hexametern aus den Epen Homers. O Christus, unser Heiland … Aëtius stellte sich vor, wie die Hunnenpferde in einer unaufhaltsamen Sturmattacke Männer und Mauern mit ihren klobigen Köpfen niederrannten, sah Reihen leichtbewaffneter griechischer Peltasten auseinanderfliegen, die vor ihrem rasenden Ansturm die Flucht ergriffen. Hin und wieder suchten ihn schlimme Träume heim, in denen er von diesen Pferden der asiatischen Steppe niedergetrampelt wurde. Er sah sie buchstäblich über sich hinweggaloppieren, erbarmungslos angetrieben von ihren gesichtslosen Reitern, sah ihre der harten Trense wegen gefletschten Mäuler, die heraushängenden Zungen, erkannte mit Schrecken, dass die Zähne dieser unschönen Pferde mit Blut verschmiert waren … In jedem Traum aber kam ein Reiter vor, der ein Gesicht hatte. Ein Gesicht, das er von früher kannte.

3. AUFBRUCH ZUR HEILIGEN STADT BYZANZ
    A ëtius konnte nicht länger auf Nachrichten von der großen Konfrontation zwischen Attila und der östlichen Feldarmee warten. Solche Meldungen könnten noch Tage, wenn nicht Wochen auf sich warten lassen, ein Gedanke, bei dem ihn heftiges Unbehagen befiel, gemischt mit bösen Vorahnungen.
    «Das missfällt mir sehr», sagte Valentinian. Er wirkte übernächtigt, wie von bösen Träumen geplagt. Seine Augen waren dick verschwollen und irrlichterten trübe umher.
    «Dessen ungeachtet, Majestät, bitte ich um

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