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Attila - Die Welt in Flammen

Attila - Die Welt in Flammen

Titel: Attila - Die Welt in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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stetiger, nicht zu kräftiger Wind, sodass sich der Seegang vorerst in Grenzen hielt. Thorismund und Theoderich sahen am ersten Tag mitunter etwas grünlich im Gesicht aus, konnten ihre Übelkeit aber noch beherrschen. Die Pferde auf dem Trossschiff vertrugen die Seereise offenbar recht gut.
    Wie gut es tat, endlich unterwegs zu sein und einem festen Ziel entgegenzusegeln! Ein erhebendes Gefühl durchströmte Aëtius, während er am Bug der
Cygnus
über all die Großtaten und Glanzzeiten der Menschheit nachsann. Vor ihm pflügte der tödliche Rammsporn durch die Fluten, sacht überspült von den sanften Wellen. Unter Deck hielten Sklaven die mächtigen Riemen aus hellem Tannenholz in Bewegung, die regelmäßig mit Bimsstein geglättet wurden und vom Salzwasser nahezu weiß gebleicht waren. Aëtius konnte das Knarren von Leder in den Ruderdollen hören, in gleichförmigem Takt begleitet von den Hammerschlägen des Hortators auf seine Trommel. Direkt unter ihm hing der Anker an der Bordwand, an dem sich noch Seegras aus Massilia befand. Oben an der Toppspiere blähte sich das riesige, rot-weiß gestreifte Segel in einer kräftigen Brise. Gischt sprühte ihm ins Gesicht, die nach dem Trocknen krustige Salzspuren auf seinen Wangen hinterließ. Er atmete tief durch. Nun, da er sich klar für eine Vorgehensweise entschieden hatte, war er durch nichts und niemanden mehr aufzuhalten.
    Die Prinzen gesellten sich zu ihm.
    «Herr», richtete der besonnene Theoderich höflich das Wort an ihn, «wir sind nur fünfzig. Die Hunnen aber sind viele Tausende.»
    Aëtius nickte. «Ein halbe Million, Gerüchten zufolge. Bei gerüchteweise kursierenden Zahlen muss man aber immer durch zehn dividieren.»
    «Dann sind sie immer noch tausend zu eins in der Überzahl.»
    «Du bist der Pythagoras der Visigoten.» Aëtius grinste. «Ich erwartet ja nicht von dir allein, Attila zu besiegen, Junge.» Er biss sich auf die Zunge und verwünschte sich für seine gönnerhafte Wortwahl. Prinz Theoderich war alles andere als ein unbedarfter Junge. «Unsere erste Aufgabe wird sein … bei Kaiser Theodosius vorzusprechen, die Wogen zu glätten und ihm unsere Dienste anzubieten. Wir werden abwarten, was es für Neuigkeiten von der östlichen Feldarmee gibt, und uns ansonsten jederzeit bereithalten.»
    «Ihr rechnet also damit, dass ihre Feldarmee vernichtet wird?»
    Aëtius sagte nichts.
    «Mitsamt allen Generälen? Mit der Folge, dass Ihr den Oberbefehl werdet übernehmen müssen?»
    «Was, kommen wir nicht zum Kämpfen?», rief Thorismund.
    Er dagegen war wirklich noch ein Junge. Für ihn war Kämpfen gleichbedeutend mit Spaß.
    «Oh, wir kommen schon noch zum Kämpfen», sagte Aëtius. «Da sei mal ganz beruhigt.»
    * * *
    Bei Sonnenuntergang wurden die Ruderer abgelöst, bekamen etwas zu essen und durften sich im Raum unter den Ruderbänken schlafen legen, während die zweite Mannschaft ihren Platz an den Riemen einnahm. Der Hortator schlug weiter unnachgiebig den Takt, während der Sand durch sein Stundenglas rieselte. General Aëtius selbst hatte Befehl gegeben, ein möglichst hohes Tempo zu halten, um so schnell wie möglich nach Osten zu gelangen.
    Am zweiten Tag frischte der Wind merklich auf, und das leichte Schiff geriet in heftig schaukelnde Bewegung. Wind furchte die Meeresoberfläche, die Gischt hoher Bugwellen spritzte über das halbe Schiff. Im zunehmend böigen, unsteten Wind klatschte das große, vielfach geflickte Segel vor und zurück, und sie mussten laufend ihren Kurs ändern. Hinter ihnen verfinsterte sich der Himmel über Gallien.
    Thorismund kauerte neben dem Hauptmast und klammerte sich verzweifelt mit beiden Armen daran fest. Sein Hemd, schön bestickt von seiner geliebten Mutter, war mit Erbrochenem besudelt. Aëtius ging neben ihm in die Hocke.
    «Sturm zieht auf», teilte Aëtius ihm gutgelaunt mit. «Sommerstürme sind immer am schlimmsten.»
    Ein wenig herzlos vielleicht, aber es war die Wahrheit. Der Junge bekam seine Seekrankheit entweder bald in den Griff oder war eben ein hoffnungsloser Fall. Prinz Theoderich dagegen, sein älterer Bruder, hatte ungeachtet des spöttischen Gemurmels der Seeleute seinen goldenen Stirnreif angelegt, wie um das aufsässige Meer durch Verweis auf sein königliches Geblüt und seine göttliche Abstammung von Odin und Nerthus, der Erdmutter, in die Schranken zu weisen. Mit finsterer Miene, die Hände auf dem Rücken verschränkt, schritt er unablässig auf dem Schiffsdeck auf und ab, eine

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