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Attila - Die Welt in Flammen

Attila - Die Welt in Flammen

Titel: Attila - Die Welt in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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anders. «Hole Seiner Majestät etwas zum Anziehen», fuhr sie den Eunuchen an, während sie eilig das Gemach verließ.
    Der Eunuch huschte davon.
    Galla verbarg sich im dunklen Vorzimmer, unbemerkt von ihrem Sohn.
    Der Eunuch kehrte mit einem sauberen Leinengewand zurück. Auf Anordnung des Kaisers brachte er außerdem auf einem Tablett allerlei Sonderbarkeiten herbei: eine in Frühjahrswasser ertränkte Feldmaus, zwei Mondkäfer, Fett von einer noch jungfräulichen Ziege, zwei Ibiseier, zwei Häufchen Myrrhe, vier Häufchen Gewürzlilie und eine Zwiebel. Der Sklave fing wieder mit dem monotonen Getrommel an. Valentinian onanierte in eine Keramikschale, verquirlte seinen Samen gründlich mit all diesen Zutaten, goss noch Öl hinzu und formte dann mit zittrigen Fingern ein rohes Figürchen aus der Masse. Dieses garstige Zerrbild eines Menschen, aus dem hie und da Eierschalen und Mäusefell herauslugten, stellte er vor einen der staubigen Kandelaber und hob dann den Blick zur Zimmerdecke
    «Ich komme, um dem Himmel den schweren Frevel Galla Placidias anzuzeigen, dieses entehrten und gottlosen Weibes. Raubt ihr den Schlaf, senkt rasende Leidenschaft in ihre Gedanken und eine brennende Hitze in ihre Seele. Treibt sie erst in den Wahnsinn und vernichtet sie dann, ihr Götter.»
    * * *
    «Nachdem ich das gehört hatte», schloss Galla, «habe ich mich zurückgezogen.»
    Aëtius goss etwas Wein in einen kleinen Kelch, doch sie winkte auch jetzt ab.
    «Ein General ist es nicht gewohnt, dass seinen Befehlen nicht gehorcht wird», murmelte er.
    Eine kleine Provokation. Sie hob den Blick. Dann aber lächelte sie ein wenig und griff doch nach dem Kelch.
    «Und es schwimmen auch keine toten Mondkäfer darin, da könnt Ihr ganz beruhigt sein.»
    Sie trank ein Schlückchen und stellte den Kelch wieder ab. «Mein Sohn ist wahnsinnig», sagte sie ein weiteres Mal. «Er ist Kaiser, und er ist wahnsinnig. Ich werde aus dem Willen Gottes nicht schlau.»
    Wie tragisch war es verlaufen, das Leben dieser harten Frau mit den grünen Augen. Mindestens einer ihrer Ehemänner ermordet, womöglich beide. Ihre Tochter ein zügelloses Luder, als junges Mädchen vom eigenen Haushofmeister geschwängert, und bis zum heutigen Tage eingesperrt im Hormisdas-Palast zu Konstantinopel. Galla sah sie nie. Dafür sah sie täglich ihren Sohn, der ein Schwachkopf war, noch dazu ein niederträchtiger.
    Aëtius schwieg. Da er nicht lügen wollte, gab es nichts zu sagen. Ein Herrscher war unantastbar, man durfte nicht Hand an ihn legen. Doch da saß vor ihm diese magere, vom Leben abgekämpfte, verhärmte Frau, die er in gewisser Weise liebte. Er musste sich in Erinnerung rufen, dass sie nur wenige Jahre älter war als er. Gealtert waren sie beide, sie aber weit schneller als er. Das Leben auf dem Schlachtfeld mochte hart sein, aber lange nicht so hart wie ein Leben am Hof, dieser stickigen Welt ohne menschliche Wärme, in die sie hineingeboren worden war, diesem Sumpf aus Verrat und Intrigen, in dem sie aus reinem Pflichtgefühl ausgeharrt hatte. Nein, er konnte sich nicht gegen seinen Kaiser auflehnen. Und er konnte nicht den einzigen Sohn dieser Frau töten.
    Sie prosteten einander mit ihren Weinkelchen zu.
    «Auf den Wein!»
    «Mit dem der Bauer jedes Übel lindert!»
    Sie gingen auf den Balkon hinaus.
    «Ich verstehe immer noch nicht», sagte Galla, «warum Theodosius solchen Groll gegen uns hegt.»
    «Vergesst nicht, es war Valentinians Entscheidung, die Hunnen anzugreifen. Durchgeführt wurde der Angriff von der VII . Legion. Daraufhin hat Attila zur Vergeltung die VII . Legion angegriffen und sie, falls die Meldungen stimmen, ausgelöscht. Theodosius wird es verständlicherweise als ungerecht empfinden, so schrecklich dafür büßen zu müssen, lediglich die Wünsche seines Vetters ausgeführt zu haben. Teuflisch genial eingefädelt, das Ganze. Die Hunnen müssen Leute hier am Hof haben, die ihnen zuarbeiten. Wie Euch aufgefallen sein dürfte, hat Attila genau an der Grenze zwischen den beiden Reichshälften angegriffen. Außerdem richtet er Chaos im Nachrichtenverkehr an – wie er das genau anstellt, ist mir noch ein Rätsel. Ich fürchte, er verfügt über ein weit gespanntes Netz von Agenten, das er meisterlich einzusetzen versteht.»
    Seite an Seite standen sie da, schweigend und voll innerer Unruhe. Über den Dächern des Palastes funkelten die Sterne. Das leise Plätschern des Delphinbrunnens unten im Hof war zu vernehmen, und das schrille

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