Attila - Die Welt in Flammen
Fahrt fortsetzen, durch Sturm und hohe See, komme, was da wolle.
Der Ausguck wurde von seiner Warte oben auf dem Mast heruntergerufen, damit er nicht beim nächsten heftigen Schwanken auf Nimmerwiedersehen ins Meer hinabgeschleudert würde, und der Mann kam erleichtert heruntergeklettert. Die Segel wurden komplett gerefft und fixiert, die Ruderdollen mit Sturmschilden aus dickem Leder versehen, und die Sklaven dort unten, die bereits von salziger Gischt durchnässt waren wie die Pökelheringe, ruderten aus Leibeskräften, während sich hinter ihnen immer dickere graue Wolken türmten, die alles Sonnenlicht zu verschlucken schienen. Da konnte noch einiges kommen.
Mare Nostrum,
von wegen, dachte Aëtius säuerlich. Alles hat sich gegen uns verschworen: die Hunnen, die Vandalen, jetzt auch noch das Meer …
Selbst Rufus, sonst ein guter Seemann, hing inzwischen seekrank über der Heckreling. Da drang aus dem Dunst hinter ihnen ein gedämpftes Knacken herüber. Der Junge richtete sich auf, im Rhythmus des schwankenden Schiffs auf den Fußballen abrollend, und starrte in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Theoderich und Thorismund ging es so schlecht, dass sie sich unter Deck auf ihre Pritschen geflüchtet hatten, einen Eimer stets in Griffweite.
«Was ist, Junge?», fragte Aëtius. Er konnte nicht das Geringste erkennen.
Der Junge spähte blinzelnd in die Ferne. «Mir war, als hätte ich weiße Pferde gesehen», sagte er leise. «Keine schäumende Gischt, meine ich … richtige weiße Pferde, im Wasser schwimmend. Ertrinkend.»
Aëtius runzelte beunruhigt die Stirn. Hatten sie das Trossschiff mit den Pferden verloren? Durchaus möglich.
Er ließ dem Schiffsführer ausrichten, Befehl zu geben, das Rudern unverzüglich einzustellen. Die
Cygnus
wurde langsamer und geriet dann auf der wogenden See in heftiges Schaukeln, bei dem unter Deck panisches Geschrei ausbrach. Aëtius selbst klammerte sich an der Reling fest, während auf dem heftig hin und her schlingernden Deck das Wasser über die Planken schwappte. Er spähte und horchte angestrengt in die Ferne: nichts. Es half nichts, sie mussten umkehren. Nicht der Pferde wegen – die konnten sie nicht retten, selbst, wenn sie sie noch fanden –, sondern der Männer wegen.
Gegen die Strömung der aufgepeitschten See ruderten sie mühsam eine Meile zurück, aber das Trossschiff war spurlos verschwunden. Und nirgends ein Pferd, nirgends ein einziger winkender Schiffbrüchiger, so weit das Auge reichte.
Also kehrten sie um und setzten ihre Fahrt fort. Rufus zog sich wieder an die Heckreling zurück, noch immer von Seekrankheit geplagt.
«Erzähl ja nichts den Prinzen», schärfte Aëtius ihm ein.
Er selbst kehrte an seinen Posten auf dem schwankenden Bug zurück, schlang den rechten Arm fest um den Klüverbaum und blickte unverwandt nach vorn in den Regen, der ihm ins Gesicht prasselte. So stand er dort und betete zu seinem Gott, hager, ohne Schlaf, ohne Kopfbedeckung, grimmig den Elementen trotzend – Roms letzter wahrer Verteidiger.
* * *
Endlich legte sich der Sturm, und die Sicht klarte auf. Das Trossschiff war und blieb verschwunden.
Die beiden Prinzen, die nun blass und zittrig an Deck zurückkehrten, nahmen die Nachricht vom Verlust ihrer Rösser mit sichtlicher Bestürzung auf.
«Wir besorgen neue Pferde», versprach Aëtius, «schöne Tiere aus Kappadokien.»
«Ich hasse das Meer», murmelte Thorismund.
«Ebenso gut könntest du die Macht hassen, von der es erschaffen wurde», tadelte Aëtius. «Es ist unwürdig, sich gegen eine so große und unerbittliche Macht wie die Natur auflehnen zu wollen.»
Thorismund schlug betreten die Augen nieder.
Sie gingen vor Syracus vor Anker, bunkerten frisches Trinkwasser, unterzogen die Räumlichkeiten unter Deck einer gründlichen Reinigung, verkauften einige Rudersklaven, die völlig entkräftet waren, und ersetzten sie durch neue. Die Prinzen wankten unsicher den Landungssteg hinunter, um sich ein wenig im Hafen umzutun. Mit Verweis darauf, dass er nun ihr Befehlshaber war, untersagte Aëtius ihnen streng, auch nur einen Tropfen Wein anzurühren. Sonderlich trinklustig wirkten sie ohnehin nicht.
* * *
Der Schiffsführer brachte einen kleinen, bärtigen Mann zu ihm, der darum bat, nach Osten mitgenommen zu werden.
Aëtius sah ihn prüfend an. «Zu welchem Zweck?»
«Eigentlich bin ich unterwegs nach Alexandria, aber zuvor muss ich nach Konstantinopel. Ich habe zwei Kisten mit … nun
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