Auch das Paradies wirft Schatten
…«
… aber Pedro würde mir schon noch besser gefallen, dachte sie.
»Kein ›aber‹, Verehrteste! Es bleibt also bei ›Ralf‹, einverstanden?«
Den ›Pedro‹ bringe ich dir schon noch bei, dachte er.
Marianne nickte, wobei sie immer noch etwas zaghaft seufzte: »Einverstanden.«
»Prima!« freute er sich, rieb sich die Hände und schritt zum Herd. Dies veranlaßte Marianne, ihre ursprüngliche Frage nach den Vorräten, die ihm zur Verfügung stünden, zu wiederholen. Wie angenagelt blieb er auf halbem Wege stehen, um nachzudenken.
»Vorräte?« fragte er sich selbst. Die Antwort, die er an die eigene Adresse richtete, folgte auf dem Fuße: »Keine imposanten, weder der Menge noch der Qualität nach.«
Marianne lachte. »Dann werde ich mich also auf ein paar Eier gefaßt machen.«
»Eier!« strahlte Pedro alias Ralf. »Sie sind phantastisch, Marianne, Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen. Lassen Sie mich ausrufen: Die Eier des Kolumbus! Wie wünschen Sie sie, Marianne: weich, halbweich oder hart?«
Nachdem damit die Wahl, die auch an Spiegel- oder Rühreier hätte denken lassen können, entscheidend eingeengt war, antwortete Marianne vergnügt: »Halbweich, bitte.«
Der Küchenchef hätte auch gar kein Fett für Rühr- oder Spiegeleier greifbar gehabt.
Wasser gab's im See.
Marianne hatte den Mantel ausgezogen, saß in einem der einfachen Flechtsessel, streckte die Beine mit den dicken Gummistiefeln weit von sich und blickte abwechselnd auf letztere und auf ihren am Herd hantierenden Gastgeber.
Stiefel gefielen ihr nicht, deshalb zog sie sie aus.
»Sie werden mir hier drinnen zu warm«, sagte sie, um Ralf alias Pedro die Notwendigkeit dieser Maßnahme zu erklären.
Recht hat sie, dachte er, wer solche Beine hat, soll sie nicht unter den Scheffel stellen.
Das Wasser begann zu kochen. Pedro alias Ralf schickte sich an, die Eier in den Topf zu werfen, ohne vorher, um die zerbrechlichen Dinger vor dem Zerplatzen zu schützen, Salz ins Wasser gegeben zu haben. Marianne sprang auf, lief über den Teppich zum Herd und bemächtigte sich der Eier.
»Soll nicht doch lieber ich …«
»Wieso, stimmt etwas nicht?«
»Ins Wasser muß Salz, Herr Baron.«
»Wenn Sie noch einmal ›Baron‹ sagen, gebe ich Zucker hinein.«
»Ralf.«
»So ist's richtig. Wieso Salz, Marianne?«
»Damit die kalte Schale nicht im kochenden Wasser zerspringt.«
Er blickte sie verdutzt an, schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn und rief: »Sieh mal einer an! Das war's also: Salz! Deshalb hatte ich so oft Pech. Warum hat mir das nicht schon früher jemand gesagt?«
Marianne blickte sich nach Salz um, sah einen entsprechenden Topf am Fenster stehen und streute eine tüchtige Menge ins sprudelnde Wasser. Dabei sagte sie so nebenhin: »Frau von Bahrenhof weiß das vielleicht selbst nicht.«
»Was weiß die selbst nicht?«
»Daß man Salz ins Wasser geben muß. Sie hat dazu ihre Leute.«
»Schon möglich, aber wieso kommen Sie jetzt gerade auf die?«
»Sie hätte Ihnen den Tip geben können.«
»Die?« Er schüttelte absolut verwundert den Kopf. »Wann? Wo?«
»Vielleicht hier.«
»Hier?« Er starrte ihr ins Gesicht. »Was habe ich Ihnen gesagt? Wer kennt dieses Refugium hier? Niemand. Aber nun sehe ich, daß Sie mir nicht glauben, Marianne …«
»Doch«, stieß sie, ihren Fehler erkennend, rasch hervor. »Ich wollte es nur noch einmal hören, verzeihen Sie mir, Ralf.«
»Sie wollten es noch einmal hören?« hakte er, im Nu besänftigt, ein.
»Ja.«
»Wäre Ihnen denn das so wichtig?«
Sie wich seinem Blick aus und sagte: »Die Eier müssen ins Wasser. Können Sie mir einen Löffel geben?«
Protestierend trat er zwischen sie und den Herd.
»Bleiben Sie mir jetzt mit diesen verdammten – entschuldigen Sie – Eiern vom Hals, Marianne!« regte er sich auf. »Ich habe Sie etwas gefragt!«
Er legte ihr die Hände auf die Schultern und zwang ihr seinen Blick auf.
Eine rote Welle strömte ihr ins Gesicht.
»Ja oder nein, wäre es Ihnen wichtig oder nicht, Marianne?«
Sie entwand sich seinen Händen und sah zum Fenster hinaus. Ihr war klar, daß die Antwort, auf die er wartete, von entscheidender Wichtigkeit für sie beide war. Seine Augen hingen an ihr. Sie waren wie ein offenes Buch, in dem sie lesen konnte. Ihr Herz wollte jubilieren, aber im nächsten Moment drohte es ihr stehenzubleiben. Sie dachte an Siegurd, an den Abend mit ihm in der Ohio-Bar, an die halbe Verpflichtung, die sie eingegangen
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