Auch dein Tod ändert nichts (German Edition)
aus Staub und Diesel ein und wünsche, ich hätte stattdessen eine Tasse Tee.
»Kommst du oft her?«, frage ich sie und lasse es eher wie einen Scherz klingen, doch ich will es ehrlich wissen. Ich will wissen, ob sie mit andern Kerlen herkommt nach einem Abend draußen unter den Sternen oder von irgendwo anders her, zum Beispiel aus einem Motel. Draußen ist ein Schild, das für eines etwas weiter die Straße runter wirbt. Natürlich frage ich sie nichts in dieser Hinsicht. Ich lächele nur ein bisschen dünn und tue so, als würde ich noch einen Brocken aus meinem Brötchen reißen, während ich mir überlege, wohin ich es entsorgen kann.
»Ab und zu«, sagt sie.
»Mit wem?«, frage ich.
Das wollte ich gar nicht fragen, es rutscht mir einfach so raus.
Sie schmeißt ihr Brötchen weg, was mir die Entschuldigung liefert, meins ebenfalls dem Abfalleimer zu übergeben. Sie wischt sich den Mund und dann die Hände ab. Die Papierservietten sind glatt und dünn, nicht gerade geeignet, irgendetwas ernsthaft wegzuwischen.
»Was geht dich das an? Jetzt bin ich mit dir hier.«
Sie küsst mich. Ihre Lippen sind süß vom Ketchup.
Wir fahren in die Stadt zurück. An der Brücke wird gearbeitet, ein Abschnitt des Geländers muss ersetzt werden. Ein Teil der Fahrbahn ist abgesperrt. Die Baustellenampel bleibt ewig auf Rot geschaltet. Ich möchte, dass es so bleibt, nur damit ich bei ihr im Auto sitzen bleiben kann.
Am Ende der Straße setzt sie mich mit einem »bis dann« ab.
»Wann?«, frage ich, doch sie scheint mich nicht zu hören. Sie wirft nur einen Blick in den Rückspiegel, und dann ist sie weg.
16
Tut mir leid, dass ich dir das angetan hab, Jimbo, aber du hast sie direkt zu mir geführt. Seitdem ist sie wiedergekommen, um mich zu besuchen, und ich muss zugeben, es ihr wegen der alten Zeiten besorgt zu haben. Wollte dich ein bisschen unterstützen – ich hab gedacht, du wärst voll der Loser bei der, die du in der Bar so angeglotzt hast –, und da war ich dann ein bisschen überrascht, als ich sie vor dem Haus im Auto sitzen gesehen hab. Sie hat mich angerufen, als du noch dabei warst, die Gummis in deine Tasche zu stopfen. Ich hatte sie eine ganze Weile lang nicht gesehen, aber ich wusste, sie kommt wieder.
Sie ist anders. Sie ist nicht die Caro, an die ich mich erinnere. Aber manche Dinge ändern sich nicht. Sie ist immer noch total bescheuert, aber jetzt ist sie politisch geworden. Sie erzählt mir das ganze Zeug und klingt dabei wie Martha – nur sehr viel extremer –, wenn du weißt, was ich meine. Das ist es eben, sie gibt sich nicht mit halben Sachen ab. Ich versuche, sie dazu zu bekommen, den Mund zu halten, aber sie denkt nicht daran.
Ich: Ich hab kein Interesse an dem ganzen Scheiß.
Sie: Das solltest du aber haben. Sieh dir doch an, was sie mit dir gemacht haben!
Dann legt sie wieder los. Ich klinke mich aus und denke, was für ein glücklicher kleiner Hund du doch bist, von ihr entjungfert worden zu sein. Keine ist besser. Eine Weile geht das so, dann unterbricht sie sich.
Sie: Hast du überhaupt zugehört?
Ich: Nein, hab ich nicht.
Sieht so aus, als wollte sie von Neuem loslegen. Da lenke ich sie auf die einzig wirkungsvolle Art ab, die ich kenne.
Hinterher betrachtet sie meine Narben, fährt mit ihrem Finger darüber und fragt, wie ich sie bekommen hab – will wissen, was genau passiert ist.
Ich: Kann mich nicht so richtig erinnern.
Das sage ich immer bei der Gelegenheit.
Sie: Natürlich erinnerst du dich.
Ich: Ja, schon, aber ich mag nicht darüber reden.
Sie: Manchmal musst du es einfach rauslassen.
Ich gucke, ob sie mich verarscht – bei ihr weiß man das nie –, aber sie wirkt so, als wäre sie ehrlich interessiert und wollte es wirklich wissen – als wäre ich ihr wichtig, und ich möchte, dass ich für sie wichtig bin. Manchmal überrasche ich mich sogar selbst.
Ich: Weißt du, ich führe ein Videotagebuch. Wie früher.
Sie: Das ist eine gute Idee. Die Menschen sollten wissen, was wirklich passiert – von Leuten vor Ort. Von Leuten wie dir.
Ich: Mein Gedächtnis ist nicht besonders zuverlässig. Für unterschiedliche Menschen läuft die Zeit unterschiedlich ab. Für ein paar sehr schnell – für andere in Zeitlupe.
Sie: Ja. Das verstehe ich. Wie läuft sie für dich ab?
Ich fange an, ihr zu erzählen, und dann bin ich wieder da drüben. Wir sind auf einer Routinepatrouille und nähern uns irgendeiner kleinen Scheißsiedlung. Der Landrover Defender setzt
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