Auch dein Tod ändert nichts (German Edition)
ruhiger wird. Angefangen hat, an eine Familie zu denken. Viele Jungs in seinem Alter machen das. Gehst du heute Abend weg?«, fragt sie. Ich schüttele den Kopf. »Jack und ich gehen heut Abend zu Millers auf einen Drink und einen Bissen zu essen. Es wird nicht spät. Du kannst mitkommen, wenn du willst.« Ich schüttele wieder den Kopf. Ich gehe abends nicht weg für den Fall, dass sie bei mir vorbeikommt, oder dass ich sie mit einem anderen sehe. Ich habe da den Kunsttyp vor Augen. Ich würde ihm am liebsten den Kopf abreißen.
Das geht so eine Woche. Zwei Wochen. Ich überlege mir, dass sie bei den Booten auftauchen könnte. Ich bin früh da und gehe spät. Alan hält das für Pflichtbewusstsein. Aber das ist es kaum. Ich nehme die Menschenmassen, die runter zum Fluss kommen, unter die Lupe und hoffe, sie zu finden. Jedes Mal, wenn ich einMädchen entdecke, das ihr irgendwie ähnlich sieht, bekomme ich Herzklopfen. Wenn ich einen Fahrgast habe, rase ich hin und zurück, stochere wie ein Wilder, nur für den Fall, dass sie vielleicht an der Anlegestelle auf mich wartet.
»Langsam!«, sagt Alan, als ich den Stocherkahn zu schnell reinbringe und dabei ein Paar durchrüttle, das mit nass gespritzten Klamotten aus dem Kahn stolpert. Der Mann beschwert sich. Alan bietet an, ihnen das Geld zurückzugeben. »Was ist los mit dir?«, fragt er. »Das wird dir vom Lohn abgezogen … «
Er schimpft noch weiter, aber ich höre nicht zu. Wieder suche ich die Menge ab. Es ist jetzt August. Mehr Touristen. Mehr Leute unten am Fluss. Ich entschuldige mich mit einer Verletzung des Handgelenks. Er setzt mich an den Schalter, das Geld zu kassieren. Das passt mir gut. Von hier aus kann ich die ganze Zeit beobachten.
Gerade als ich aufgegeben habe, ist sie da. In Boxershorts liege ich auf dem Bett und höre Musik. Ich möchte lieber nicht, dass irgendjemand die Mischung hört – lauter Liebeslieder durcheinander. Ich habe sogar Marthas i Tunes geplündert, als sie nicht da war. Ich habe die Kopfhörer auf und bin so sehr in die Songs vertieft, dass ich nichts mehr mitbekomme, nicht einmal Martha, als sie an die Tür hämmert. Sie kommt rein, fasst mich an der Schulter und lässt mich damit einen Kilometer weit in die Luft schnellen. Sie reißt mir die Kopfhörer ab.
»Deine Freundin ist draußen. Hörst du das denn nicht? Sie mischt noch die ganze Straße auf.«
Mit verschränkten Armen steht sie da und funkelt auf mich runter. Sie sieht aus wie Mum. Und sie klingt auch so.
Jetzt höre ich die Hupe, bin aus dem Bett und am Fenster. Da ist sie. Sie schaut nach oben, grinst und bedeutet mir runterzukommen. Ich schnappe mir was anzuziehen, hüpfe durch das Zimmer, versuche, meine Beine in die Jeans zu stopfen, ein Hemd anzuziehen, meine Füße in Turnschuhe zu rammen, und dann bin ich die Treppe runter, zur Haustür raus und renne über den Gartenweg.
Als ich zu meinem Fenster hoch sehe, steht Martha da und blickt mit fest verschränkten Armen finster auf uns runter. Ich winke ihr. Ich bin glücklich. Das möchte ich zeigen. Martha schaut nicht einmal zu mir hin.
Caro erwidert Marthas Blick, nimmt die Sonnenbrille ab und schnippt abfällig mit den Fingern. Marthas Blick wird noch finsterer. Ich schaue von einer zur anderen. Es ist ein warmer Abend, doch ich kann die Kälte zwischen ihnen spüren wie eine Eisscholle.
»Was ist mit dir und Martha?«
»Was meinst du denn?« Sie blickt weg und lässt den Motor an. »Weshalb glaubst du, dass irgendwas zwischen mir und Martha ist?«
»Nur so ein Gefühl. Wart ihr nicht mal Freundinnen oder so was?«
»Oder so was.« Sie wiederholt meine Worte, sagt aber nichts mehr.
»Ja, wart ihr«, mache ich weiter, um sie zu ermuntern. »Sonst wärst du nicht zu ihrem Geburtstag eingeladen gewesen. Sie hat schließlich nicht jeden eingeladen.«
»Vielleicht war ich es. Ich erinnere mich da kein Stück dran«, antwortet sie, als wäre ihr das viel zu langweilig, um auch nurdarüber nachzudenken. Sie blickt stur geradeaus und reagiert einfach nicht. Es wirkt, als hätte sie sich selbst den Ton abgedreht.
Ich versuche es mit etwas anderem und hoffe, sie dazu zu bringen, irgendetwas zu sagen.
»Wie war dein Tag?«, frage ich und komme dann noch mit einer Reihe ähnlicher Fragen.
»Was hast du gemacht?«
»Bist du irgendwo gewesen?«
»Was Interessantes unternommen?«
So was eben. Das Letzte klingt besonders lahm, so was könnte dich deine Oma fragen. Ihre Antworten sind unverbindlich oder
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