Auch dein Tod ändert nichts (German Edition)
bis hier herunterhängen. Dann siehst du Dinge … « Ihre Stimme verklingt.
Ich blicke mich um. Mir kommt alles total normal vor.
»Manche Leute wollen hier auch am Tag nicht raufkommen, geschweige denn bei Nacht. Hier ist mal ein ganz berüchtigter Mord passiert, vor Jahren. Da ist eine Frau gefunden worden, die in einem hohlen Baum hing. Manche behaupten, das wäre Hexerei gewesen. Hier versammeln sich Hexen … «
»Was? Heute?« Ich lache und frage mich, ob sie mich auf den Arm nehmen will. »Du veräppelst mich!«
»Nein, mache ich nicht. Sieh dir das an.« Sie zeigt auf einen Kreis, in dem das Gras von einem Feuer weggesengt ist. »Das ist von der Mittsommernacht übrig geblieben.«
»Als Nächstes erzählst du mir noch, dass es hier Feen gibt.«
»Natürlich gibt es die hier. Siehst du den Weißdorn da?« Sie deutet mit dem Kopf zur höchsten Stelle der Bergkuppe. »Das ist ein Elfenbaum. Er ist sehr alt, weil niemand sich traut, ihn umzuhacken.«
»Auch heute noch?«
»Auch heute noch. Sie leben unter dem Berg. Kannst du nicht ihre Gegenwart spüren?«
Sie kommt über die Decke auf mich zugekrabbelt. Ich weiß nicht, ob sie es ernst meint oder mich aufzieht, aber es ist mir egal. Dann ist sie mir sehr nahe, und ich kann nicht erkennen, ob ihre Augen braun oder grün oder eine Mischung aus beidem sind, denn sie küsst mich.
Ich will sie festhalten, doch sie ist schon wieder aufgestanden und außer Reichweite für mich. Sie zieht ihr Kleid aus. Sie trägt kein Höschen und auch keinen BH. Hätte ich das bloß schon vorher gewusst. Sie geht weg, bis dorthin, wo sich der Berghang absenkt, dann kommt sie zu mir zurück, läuft leichtfüßig über das federnde Gras. Ihr Körper schimmert weiß im Mondlicht, das Tattoo auf ihrer Schulter wirkt wie ein fast erloschener Stern.
»Komm schon, zieh dich auch aus.«
Das hatte ich nicht erwartet.
»Was, ich? Jemand könnte mich sehen!«
»Sei doch nicht so blöd!«
Ihr Lachen klingt wie das Läuten von Silberglöckchen. Ich blicke zu ihr hoch. Die Nacht bricht schnell herein. Sie schimmert im Zwielicht. Hier ist es so still, sogar die Schafe haben aufgehört zu weiden. Aus der Wiese steigt Dunst auf, dicht am Boden schmiegt er sich um ihre Knöchel, als würde sie ihn mit sich bringen.
Ich weiche etwas zurück, entziehe mich ihr etwas, als hätte ich Angst vor ihr, und vielleicht habe ich die auch ein bisschen. Sie ist mir fremd. Noch nie habe ich jemanden wie sie kennengelernt. Das ganze Gerede über Feen. Irgendwie frage ich mich, ob sie wirklich echt ist.
»Hast du etwa Angst?«
Sie hat meine Bewegung verstanden, kommt aber weiter mit demselben leichten wogenden Schritt auf mich zu. Sie lächelt. Selbst das ist beunruhigend. Etwas zu breit, die Augen zu wissend. So ein Lächeln setzt man bei einem Kind auf.
»Natürlich nicht.« Ich merke, wie ich immer gereizter werde.
Ich weiche noch etwas weiter zurück. Ich habe Angst, doch aus einem völlig anderen Grund. Einen, den ich mir selbst kaum eingestehen kann und schon gar nicht ihr.
»Was ist denn dann los?« Sie ist jetzt fast bei mir.
»Nichts.«
Ich ziehe sie nach unten über mich und komme mir überhaupt nicht mehr wie ein Kind vor.
Eine Zeit lang küssen wir uns. Ihr Mund ist weich und warm. Ich bewege mich, um unsere Position zu verändern, aber sie hält mich davon ab.
»Komm, runter mit dem Zeug.« Sie zerrt an meinem Hemd undder Gürtelschnalle. Als ich meine Jeans abstreife, fallen wieder alle Kondome aus der Tasche.
»Gut, dass du auf alles vorbereitet bist … «
Sie lacht und ich stimme mit ein. Ein gemeinsamer Witz. Das Lachen vertreibt mein Unbehagen, und gleich darauf bin ich so nackt wie sie. Ich vergesse, dass vielleicht Leute zusehen. Welche Leute? Wo? Ich vergesse die Schafe, ich vergesse alles außer dem Gefühl von ihrer Haut an meiner, dem Geruch ihrer Haare, dem Kitzeln des Grases an meinem Rücken, der Härte des Bodens unter meinen Knien. Dann ist jedes andere Gefühl verschwunden, und ich bin ganz auf die eine Sache konzentriert, wirklich nur auf diese eine Sache.
Als es vorbei ist, lege ich mich zurück und blicke in die Dunkelheit über mir. Die Sterne sind jetzt komplett zu sehen. Hier oben scheinen sie näher zu sein und dichter gesät. Ich suche nach denen, die ich kenne.
»Wonach guckst du?«
Ich zeige ihr die Venus, hell im Westen, Deneb, Vega, Altair, Arktur, die Zwillinge – Kastor und Pollux.
»Kennst du auch die
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