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Auch dein Tod ändert nichts (German Edition)

Auch dein Tod ändert nichts (German Edition)

Titel: Auch dein Tod ändert nichts (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Rees
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uns ab und wir schwärmen nach beiden Seiten aus – Mac und ich nach rechts. Die Häuser auf unserer Seite sehen verlassen aus – auf jeder Seite der Tür zwei kleine Fenster wie auf einer Kinderzeichnung. Der Eingang ist von einem dieser Plastikvorhänge verdeckt – rote und gelbe Plastikstreifen, die sich sanft bewegen, als gäbe es da einen leichten Wind, oder als würde sich drinnen jemand bewegen und einen leichten Luftzug erzeugen, oder als würde eine Gewehrmündung die Streifen berühren. Irgendwas stimmt da nicht. Ich bedeute Mac vor mir, er soll auf die Seite des Gebäudes gehen, sich aus der Schusslinie bringen und an der Mauer entlangschieben. Er macht noch einen Schritt, und ich höre eine Reihe sehr leiser Geräusche, als würde jemand auf dem Handy eine Nummer eingeben, und dann ein metallisches Klicken. Ich weiß, was das ist – die Druckplatte einer improvisierten Mine, die gezündet wird   –, aber es ist zu spät, irgendwas zu machen. Ich werde nach hinten in die Luft geschleudert. Mac ist vor mir. Er kriegt die volle Ladung ab. Ich kann nichts hören – mein Kopf dröhnt von der Explosion, und die Staubwolke um uns ist so dicht, dass die Sonne nur noch ein Lichtklecks ist. Ich kann Kordit riechen, verbrannten Stoff und noch etwas – wie ein Sonntagsbraten. Es krallt sich mir in die Kehle, lässt mich husten und würgen, während ich mich dahin taste, wo ich meine, dass er sein könnte – taste mit den Händen, weil ich nicht sehen kann. Ich weiß, dass er schwer verletzt ist. Hat sein rechtes Bein verloren, mitten am Oberschenkel ist es abgerissen. Ich legeihm einen Druckverband an, während die ganze Zeit Kugeln fliegen. Immer noch kann ich nichts hören, aber ich sehe die kleinen Staubwolken aufspringen und die Splitter, die von der Mauer abspritzen. Mein rechtes Bein ist ganz schön zermatscht – taub und nutzlos   –, aber ich kann kriechen. Er kann gar nichts machen. Ich packe ihn am Schultergurt und ziehe ihn zurück. Der Landrover kommt jetzt selbst unter schweren Beschuss. Die Jungs werden unten gehalten und sind voll damit beschäftigt, um sich zu schießen. Ich hab nur den einen Gedanken, Mac so weit zurückzuziehen, dass sie kommen können und uns auflesen – was sie auch machen.
    Wir haben ihn da rausbekommen und er hat noch gelebt. Das eine Bein hat er vollständig verloren, das andere musste am Knie abgenommen werden. Als ich ihn das letzte Mal gesehen hab, wirkte er in Ordnung – hat eine Zukunft gesehen. Er meistert die Lage besser als ich, was wirklich paradox ist. Für das, was ich getan habe, hab ich einen Orden bekommen – also bin ich ein echter Held. Aber wie jemand gesagt hat: Orden werfen lange Schatten. Ich hab meine beiden Beine behalten, hab aber was anderes da draußen verloren. Als das Ding direkt vor uns hochgegangen ist – das Geräusch hat mich taub gemacht   –, konnte ich nicht hören. Konnte nicht sehen. Eine Art Finsternis ist über mich gekommen und alles wirkte so weit entfernt, als wäre ich in einem Tunnel so voller Staub, dass es war, als wäre das Licht ausgegangen und ich könnte nicht atmen. Wenn ich davon träume, wache ich auf. Ich bin völlig neben der Spur, weil ich Mac helfen müsste, und dann ist die Finsternis zurück – jeden Tag kriecht sie ein Stück weiter über mich. Ich sehe keine Zukunft – es gibt keine Zukunft. Ich habe kein Ziel – meine Existenz hat keinen Sinn.Ich mache nichts, außer auf der Stelle treten. Ich hab kein Recht, das so zu empfinden. Ich bin immer noch da – mit zwei Armen, zwei Beinen, die Kronjuwelen intakt. Ich denke an Johnny – er kommt nicht zurück – und an Mac und fühle mich schuldig, weil ich so bin. Ich hab kein Recht auf Hilfe welcher Art auch immer. Wenn ich an irgendwas von diesen Dingen glauben würde, würde ich sagen, ich bin verdammt. So wie es ist, bin ich äußerlich in Ordnung, aber innerlich so zerbrochen, dass nichts repariert werden kann. Für mich gibt es keine Hilfe.
    Das Letzte will ich ihr eigentlich gar nicht erzählen. Es rutscht mir einfach raus. Sie benimmt sich weder schockiert noch überrascht. Sie sagt gar nichts. Sie steigt aus dem Bett und geht – nicht mal ein »Tschüs« oder so. Dann ist sie weg, und ich liege da, und es ist, als hätte sie in meinem Kopf ein Ventil geöffnet, das ich nicht mehr schließen kann. So wie die Albträume, die ich habe, nur schlimmer, weil ich wach bin. In meinen Ohren dröhnt es wie nach der Explosion und mein ganzer Körper

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