Auch dein Tod ändert nichts (German Edition)
Haarausfall waren ein Lachschlager, nicht mehr, als sie auch verdient hatte, doch Louise Simpson mit lebenserhaltenden Maßnahmen? Das hat sie alle zu Tode erschreckt. Danach brach der Zirkel auseinander. Ich war ihn sowieso schon leid geworden. In dem Moment, als die Sprüche, die wir webten, tatsächlich zu wirken schienen, hörte ich auf, daran zu glauben. Das ist paradox. Aber so bin ich halt.
Das okkulte Zubehör, dem die Kraft entzogen ist, wird zum Krimskrams. Die Planchette liegt jetzt auf meinem Schreibtisch – einfach ein interessanter Gegenstand. Die Runensteine machen sich hübsch auf meiner Fensterbank. Und die Tarotkarten? Haben nicht alle ein Päckchen Tarotkarten?
Ich nehme sie aus der Schublade.
Ich muss zugeben, dass ich immer noch ein Ziehen verspüre. Eine kleine Erregung.
Ich hebe ab, mische, hebe wieder ab. Einfach um der alten Zeiten willen. Da finde ich ihn. Der Narr. Das bedeutet nicht Depp, sondern jemanden, der unschuldig, aber gleichzeitig klug ist. Der Schöpferische Träumer. Das ist er. Muss er sein. Ich spüre, wie die alte Aufregung in mir aufsteigt.
Ich hatte ihn im Kopf, hatte gerade über ihn geschrieben, also würde ich ihn sehen. Oder? So funktioniert das.
Ich hebe wieder ab. Der Ritter der Schwerter. Der Wilde Krieger. Der Krieger, wie er im Buche steht. Jetzt habe ich die beiden. Jamie und sein Bruder. Ich bin neugierig, deshalb hebe ich noch einmal ab. Die Königin der Schwerter umgedreht: hinterhältig, heimtückisch, Expertin im Gebrauch von Halbwahrheiten und Verleumdungen. Das muss Martha sein.
5
»Komm rein, wenn es unbedingt sein muss.«
Martha ist mit dem Haarglätter zugange und dreht sich nicht um. Sie hat langes Haar, und das dauert ewig. Sie muss das jeden Morgen machen. Sie stellt den Wecker eine Stunde früher, um rechtzeitig bis zur Schule fertig zu werden. Das ist einer der Gründe, warum ich froh bin, kein Mädchen zu sein. Alles braucht so lange. Ich weiß nicht, warum sie ihren Haaren das antut. Mum meint, das wäre schlecht für sie, würde sie dünn machen. Vor einer Weile – ungefähr während ihrer Prüfungen – hatte Martha Probleme mit den Haaren bekommen. Der Arzt meinte, das hinge mit dem Stress zusammen. Inzwischen scheint alles wieder in Ordnung zu sein, trotzdem ist es mir lieber, wenn sie sie lockig lässt. Mum findet das auch, doch Martha hört nicht auf uns. Sie meint, dass ich keine Ahnung habe und Mum nur will, dass sie ein kleines Mädchen bleibt.
»Was du auch willst, mach schnell. Ich muss mich noch schminken und die Mädels können jeden Moment zum Vorglühen kommen.« Sie legt den Haarglätter hin und kramt in ihrem Kosmetikkoffer rum.
»Sag mal … « Ich betrete ihr Zimmer, blicke auf den Kram auf ihrem Schreibtisch und rücke die Bücher gerade.
»Lass das! Fass nichts an! Setz dich!«, kommandiert sie mich herum, als wäre ich immer noch sechs. Zwischen uns liegt kaum ein Jahr, aber sie benimmt sich, als wäre sie die Einzige, die erwachsen geworden ist.
»Was ist denn?«
»Du kennst doch das Mädchen, das alle Caro nennen? Sie hat da ein Tattoo.« Ich berühre mit der rechten Hand meine linke Schulter. »Sieht aus wie ein Stern mit Schnörkeln.«
»Wenn du Vanessa Carrington meinst, dann ja, die kenne ich. Und das ist kein Stern, das ist ein Drudenfuß. Und es sind keine Schnörkel, sondern Sigillen. Du bist vielleicht blöd!«
Ich weiß nicht, was eine Sigille ist, aber ich denke nicht daran, sie zu fragen und ihr damit zu beweisen, dass ich noch dümmer und unwissender bin, als sie sowieso schon glaubt. Ich schlage das Wort später nach – ein okkultes Symbol oder Mittel, das magische Kräfte haben soll.
»Was ist mit ihr?« Martha blickt nicht zu mir auf. Sie trägt mit sorgfältigen, langsamen Aufwärtsbewegungen Wimperntusche auf.
»Also, wie ist sie denn so? Ich meine … «
»Warum willst du das wissen?«
»Oh, hm, Cal und ich haben sie im
Rendez
gesehen.«
»Und?«
»Wir waren nur … « Ich zucke mit den Schultern. »Du weißt schon … interessiert.«
»Cal? Ich denke, der hat eine Freundin. Die grässliche Sophie.«
»Ja, schon … «
»Er will doch bestimmt nicht noch eine? Ich dachte, die wären so verliebt.«
»Sind sie auch. Glaubt er jedenfalls.«
»Also dann geht es um dich. Du bist es, der interessiert ist.«
»Äh, ja. Glaub schon. Wart ihr nicht mal Freundinnen?«
»Das ist lange her. Jetzt sind wir’s nicht mehr.« Sie legt die Wimperntusche weg, dreht sich
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