Auch dein Tod ändert nichts (German Edition)
nehme ihn, halte ihn mit der schmalen Seite nach unten, bereit, ihn Rob auf den Hinterkopf zu schmettern.
»Es reicht«, schreit eine Frauenstimme. »Das reicht jetzt!« Ich blicke auf. Sie steht mit erhobener Gießkanne auf dem Weg, kurz davor, ihren Inhalt über uns auszukippen. »Das funktioniert bei Katzen. Bei Hunden auch. Warum nicht bei jungen Männern? Steht auf, alle beide.«
Ich rolle mich von ihm ab und rappele mich auf die Füße. Rob hat Probleme beim Aufstehen, doch ich helfe ihm nicht. Stattdessen streckt ihm die Frau die Hand hin. Jetzt erkenne ich sie auch. Es ist Brenda vom nächsten Schrebergarten.
»Ihr seid doch Freds Enkel, oder? Ich weiß noch, wie ihr euch als junge Kerle gestritten habt, aber jetzt seid ihr ein bisschen zu alt dafür. Was ein Jammer, dass ihr nicht etwas von eurer Energie verwendet, um den Garten für euren Großvater in Schuss zu halten. Und jetzt gebt euch die Hand.«
Wir starren einander widerstrebend an, doch sie ist nicht bereit, sich vom Fleck zu rühren, bis wir es tun. Er streckt die Hand aus. Ich nehme sie.
»Jetzt richtig.«
Ich fasse fester zu.
»So ist es besser.« Sie nickt zufrieden und geht wieder.
Ihr Eingreifen hat die Wut zwischen uns vertrieben. Ich will nicht weiterkämpfen und er offenbar auch nicht.
»Damit hättest du mich gehabt.« Er deutet mit dem Kopf auf den Klinker. »Hab schon gedacht, das wär’s mit mir gewesen.«
»Ich hätte es nicht getan. Nicht wirklich.«
»Vielleicht nicht, aber du musst zu Ende bringen, was du angefangen hast. Das bringen sie dir bei der Army bei. Doch du hast jetzt Mumm. Mehr als ich dir zugetraut hab.« Er zielt mit einem Finger wie mit einer Pistole auf meinen Kopf. »Alle Achtung.«
Wir sitzen auf der wackligen kleinen Bank vor der Hütte, und er zündet sich eine Zigarette an.
»Ich war doch gar nicht so schlimm mit dir, oder? Als wir Kinder waren?«
»Doch, warst du.«
»Aber sicher nicht die ganze Zeit? Ich hab dir doch immer wieder was geschenkt, dir Geschichten erzählt. Ich hab dir das Designerfahrrad geschenkt, mit dem du rumfährst.«
»Na ja, das ist ein billiges Imitat. Die Sachen, die du mir geschenkthast, waren zum Teil schon kaputt, und die Geschichten die du erzählt hast, waren gelogen.«
»Stimmt.« Er lacht, als wäre das für uns beide ein Spaß. »Manchmal ist das besser, als die Wahrheit zu kennen.«
»Ach ja? Da bin ich mir nicht so sicher.«
»Glaub mir, über manche Dinge sollte man besser nicht Bescheid wissen.«
»Wie das mit Dad, dass er sich umgebracht hat?«
»Woher weißt du das?«
»Caro hat es mir erzählt.«
»Das hätte sie nicht tun sollen.«
»Vielleicht nicht, aber ich bin froh, dass sie es getan hat. Hast du es von Anfang an gewusst? Gingen die Geschichten darum?«
»Nein. Bei den Geschichten ist es um was anderes gegangen. Das mit unserem alten Herrn, das hab ich erst vor Kurzem erfahren. Großvater hat es mir erzählt, als er zu viel Whisky intus hatte. Ma weiß nicht, dass ich es weiß. Allerdings hätte sie es uns sagen sollen.«
Ja, hätte sie. Aber irgendwie kann ich es verstehen. Wenn man eine Lüge lange genug erzählt, glaubt man langsam selbst daran. Wir alle müssen unseren eigenen Weg finden, um unseren Verstand zu behalten. »Vielleicht hat sie uns davor bewahrt, uns so zu fühlen, als hätten wir einen Makel.« Automatisch suche ich nach einer Entschuldigung für sie. »Besonders, wo er doch Soldat war. Es sollte zwar nicht sein, aber für manche Leute hängt da immer auch ein gewisses Maß an Schande mit dran.«
»Es sollte wirklich nicht sein. Da hast du recht. Aber mit so vielen Kanonen um einen herum, kommt es öfter vor, als man denkt.«
»Hast du … ich meine, hast du jemals …?«
»Nicht, als ich dabei war. Ist mir nie in den Sinn gekommen. Aber ich weiß, dass es passiert.«
»Und jetzt?«
Er antwortet nicht gleich.
»Vielleicht. Kann sein, dass ich in dieser Hinsicht verflucht bin wie unser alter Herr. Manche Sachen kann man einfach nicht stoppen. Weißt du? Wie zum Beispiel, als ich so gemein zu dir war. Ich bin da offenbar nicht gegen mich angekommen. Der alte Herr war genau wie ich. Vielleicht liegt das in unseren Genen.«
»Nein!« Ich mag nicht, wenn er so redet. »Das ist doch Schwachsinn, Rob! So funktionieren Gene nicht. Und selbst wenn du sie hättest, hätte ich sie und Martha auch.«
»Ihr beide kommt nach Mum.« Er blickt runter auf seine Zigarette. »Sie raucht nicht, und ihr beide auch nicht. Aber
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