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Auch Deutsche unter den Opfern

Auch Deutsche unter den Opfern

Titel: Auch Deutsche unter den Opfern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benjamin Stuckrad-Barre
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müssten unsere Vesparoller umparken, er käme sonst mit seinem Rolls-Royce nicht vorbei. Unbemerkt warf ich ihm die Fleetwood-Mac-CD auf die Rückbank.
    Zurück in Berlin: schlechtes Gewissen. Also ein Best Of von Fleetwood Mac kaufen, im nächsten Jahr plastikverschweißt und ungehört mitbringen – aber erst kurz vor der Abreise überreichen.

[ Inhalt ]
    Grönemeyer vs. Westernhagen
    Der weltferne Armani-Rocker Westernhagen? Der nahbare Tresen-Mensch Grönemeyer? Nun, wie auch immer, jedenfalls sind oft ja interessanter als Verkündigungen selbst: die Orte der Verkündigungen. Wo also man etwas von – auch das aufschlussreich – wem erfährt. Zwei Berliner Szenen, Sommer und Herbst 2008:
    Nach einer Modenschau des amüsanten Glam-Proleten Michalsky in irgendeiner dieser zahllosen brachliegenden und nur noch nachts anlässlich sogenannter Events manchmal belebten Berliner Fabrikhallen; gerade waren die letzten Klänge von einem wumsenden Höllenritt des ewig guten DJ Hell verklungen und die letzten Models durch einen Vorhang gehungerhakt, die lächerlichen Wedel-Fächer in der ersten Reihe waren eingesteckt worden, man hatte etwas ratlos geklatscht, und nun begann das allgemeine Rumgestehe, Zugeproste und Verhandeln mit dem Türsteher über den Einlass noch draußen stehender, absichtlich verspäteter Freunde – wie das eben immer so ist auf solchen Veranstaltungen. Man ist ja wirklich nicht wegen der, huhu, Mode da. Und da stand nun mit durchgängig nickendem Kopf und einem Nuckelbier in der Hand: Tim Renner. Als der noch Musikindustrieller in großem Stil war, habe ich mal ein Jahr lang bei ihm gearbeitet, danach wurde er Musikindustrieller in noch größerem Stil und ich irgendwas anderes; heute ist auch Tim Renner irgendwas anderes, er hat sich selbständig gemacht, betreibt einen Radiosender, ein Künstlermanagement und alles Mögliche, am liebsten: im Internet. Guten Abend, Tim, was läuft denn so? Unter anderem, zählte er auf, berate er jetzt Marius Müller-Westernhagen. »Herrn Westernhagen«, sagte Renner, der allzeit ironisch auf der Hut ist. Aha, soso, na, da gibt es sicherlich einiges zu tun. Also, sagte Renner und stellte sein Bier auf einen Lautsprecher, um mithilfe beider Hände alles ganz genauerklären zu können; es war nun klar, dass innerhalb der nächsten paar Sekunden das Wort »Internet« fallen würde. Das Problem sei ja, dass Westernhagen überhaupt keine Fan-Adressen habe. Bitte – was? Ja, da sei über Jahre geschlampt worden, und wenn man nun ein neues Album auf den Markt bringe, heutzutage!, dann bräuchte man vor allem Mailadressen von treu ergebenen Anhängern, um die gescheit informieren zu können. Dynamik und so. Daher werde man nun mehrstufig vorgehen, zunächst könnten sich die Westernhagen-Fans online ihre Lieblingslieder aussuchen, diese werde Westernhagen dann auf Konzerten spielen und zeitgleich ein Best-Of-Album veröffentlichen, ebenfalls auf Basis dieses Volksentscheids, von Renner »Fan-Voting« genannt. Durch die Stimmabgabe gebe der Fan auch seine Mailadresse her und sein Einverständnis, auf diesem Wege über nächste Karriereschritte Westernhagens informiert zu werden. Termin, perfekter Termin für all dies sei Westernhagens 60. Geburtstag im Dezember.
    Oh, lustig, da schreibe ich was drüber, sagte ich. Schön, zuständig für die Pressearbeit sei übrigens eine gute alte Bekannte aus seligen Hamburger Motor-Music-Zeiten, die Gaby – na, logo, die Gaby, die rufe ich dann mal an, schönen Abend noch, Tim. Er nahm seine Bierflasche, ich meinen Mantel, Kopfnicken, bis später.
    Einige Wochen darauf, am Tresen der Paradieskantine »Grill Royal« in der Berliner Friedrichstraße. Ich stand mit meinem Kumpel Moritz dort an unserem Stammplatz, wir blödelten mit den Jungs hinterm Tresen herum und blickten durch den Gastraum, ob denn jemand da ist, der uns interessiert. Irgendwer ist immer da, das – unter anderem – ist das Schöne am »Grill Royal«. Ziemlich in der Mitte saß mit einer Freundin von uns, die ihn seit Jahren berät: Herbert Grönemeyer. Jetzt hingehen, Hallo sagen? Erstmal winken, wenn die gucken. Sie guckten, wir winkten – und als sie sich zum Gehen aufmachten, standen wir natürlich immer noch am Tresen, wir sind in dieser Hinsicht, um mit Jogi Löw zu sprechen, »konditionell sehr gut aufgestellt«.

    Grönemeyer ist ja, wenn man ihn an so Orten der Beiläufigkeit trifft, immer sehr lustig, geradezu albern. »Steht ihr hier immer rum, oder

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