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Auch Deutsche unter den Opfern

Auch Deutsche unter den Opfern

Titel: Auch Deutsche unter den Opfern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benjamin Stuckrad-Barre
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was?«, fragte er, wir bejahten, und so ging es heiter hin und her. Seine Beraterin berichtete dann, weil sie weiß, dass ich mich seit meiner Kindheit immer sehr für Grönemeyers Musik interessiert habe: »Herbert hat einen neuen Hit geschrieben.« Echt wahr, ja? Ja, Titel sei »Glück«. Oha, klingt herrlich. Alex Silva, der Produzent, stand auch dabei und sagte, dass bei »Glück« erstmals der Remix vor der endgültigen Version des Lieds fertig geworden sei. Ein Premix also, verdammt, man hätte ihn eigentlich genau so nennen sollen, schade, nun sei es zu spät. Erscheinen, und zwar bald, werde dieser Hit auf einem Best-Of-Album, Herberts erstem überhaupt, man habe sich immer dagegen gewehrt, aber nun, in Gottes Namen, käme es also, und so sei man auch auf den Albumtitel gekommen: »Was muss muss«. Mit Komma oder ohne, fragte ich Herbert, und der giggelte: Komma, wasn fürn Komma? Komm ma’ klar!
    Ohne Komma natürlich. Aber mit neuem Hit.
    Herr Westernhagen und Hey Herbert also? Modenschau und Tresen. So ist das heute, 2008. Ja, das kommt schon hin.
    Im Frühwerk ist die Kneipe ganz eindeutig der Westernhagen-Ort. Da hieß er noch Müller-Westernhagen (und Grönemeyer sang: »Hier in dem Lokal«, Lokal – nicht Kneipe!); auf seinem Weg zu dem, über dessen Pläne man am Rande einer Modenschau informiert wird, legte Marius 1987 den »Müller« ab, nannte sich fortan nur noch Westernhagen, und merkwürdigerweise begann genau damit eine große zweite Erfolgsphase des Sängers. Müller, Meyer – nicht ohne Komik, dass die beiden exponierten deutschen Musikhelden, von denen hier die Rede sein soll, diese Allerweltsnamen mit sich herumschleppen. »Müller, Meyer« – das ist die Titulierung nicht näher bekannter Durchschnittsvertreter der anonymen Masse, der Clique um Erika Mustermann. Und als Summanden vielleicht doch ganz geeignete Namensbestandteile für unsere Volkssänger?
    Diese beiden miteinander zu vergleichen, lag immer nah und war doch nie gestattet, zumindest von den beiden nicht gern gesehen. Kann man auch verstehen. Und es gibt genug Gründe, beide als Solitär zu akzeptieren. Andererseits: So viele Rockschaffende dieser Größenordnung haben wir nun auch wieder nicht in Deutschland. Genau genommen: niemanden sonst. Lindenberg ist ein Sonderfall. Kunze ist Kunze, und Niedecken eben Niedecken, die zählen hier nicht (und bei Bushido wollen wir noch Teil zwei seines Lebensberichts abwarten).
    Aktuell ist Grönemeyer sicherlich ohne Konkurrenz, und Westernhagen gewissermaßen außer Konkurrenz, außen vor. Nimmt man als Grundlage für etwaige Größenbemessungen Prosaisches wie Verkaufszahlen, ob von Platten oder Konzertkarten, ist wertfrei festzustellen, dass mal der eine, mal der andere vorn lag. Zeitgleich waren sie nie ganz oben, wie auch – es scheint also die Geschichte dieser Differenz auch eine der Verdrängung zu sein.
    Beide sind oder waren Schauspieler, beide haben eine Zeit lang parallelFilme gedreht und Platten aufgenommen, Westernhagen fuhr im LKW, Grönemeyer im U-Boot über die Kinoleinwände. Der eine saß als Robert Schumann mit Nastassja Kinski am Klavier, während der andere als »Dorn« (in Fausers Roman-Vorlage natürlich »Blum«) mit einem Drogen-Koffer durch Frankfurt taperte – und jetzt bitte mal raten, welcher von beiden hier der eine und welcher der andere war. Heute jedenfalls sind die Drehbücher zu schlecht, sagen beide.
    Und ist nicht allein die Menge herrlicher Anekdoten, die es über die selbstverständlich niemals offen bekannte Rivalität zwischen ihnen gibt, hinreichend als Begründung für einen Vergleich? Warum nicht die Koinzidenz ihrer Werkschau-Veröffentlichungen zum Anlass nehmen, das Verbotene eben doch zu tun? Natürlich keine Punkte vergeben, aber doch die Werke der beiden, von der ersten Platte bis heute, mal nebeneinanderhalten, mal dran entlang erzählen, wie die Zeit so verging. In der Vergangenheit habe ich den beiden, wann immer ich ihnen begegnete, stolz wie einer dieser seltsam einseitig begabten oder trainierten Wettkandidaten bei »Wetten, dass . . ?« meine Werkkenntnis vorgeführt, ihnen irgendwelche Textsprengsel ihres Frühwerks aufgesagt, und sie fanden das immer recht amüsant.
    Januar 2005, Zürich: In einem mittelhippen Keller stellt Grönemeyers Label Grönland den in Maßen stets aufgeschlossenen Schweizern einige seiner Künstler vor. Und da ist ja auch Herbert, hallo, Herbert! Bisschen rumalbern und ihn jetzt quälen: Texte

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