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Auch Deutsche unter den Opfern

Auch Deutsche unter den Opfern

Titel: Auch Deutsche unter den Opfern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benjamin Stuckrad-Barre
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Prof. Dr. Jo Groebel vom Nachbartisch rüber zu uns und rief, übrigens, er schätze die Kolumne sehr, die wir beide gemeinsam im »Rolling Stone« schrieben. Zwar habe ich die bislang allein geschrieben, Moritz darin aber als Side-Character etabliert, weil ich alle hier zu verhandelnden Fragen sowieso mit ihm tagtäglich neu über den Berg rolle. Umso schöner für die Realität, wenn man sie der Theorie nach umformen kann! Ich überreichte Moritz den »The Thomas Crown Affair«-Soundtrack, den ich für ihn gekauft hatte, was ich – wenn wir den Professor nicht getroffen hätten – an dieser Stelle sehr überzeugend begründet hätte. Aber nun hatte ich ja einen Co-Autor, und der notierte rasch, warum er diesen Film erst vor ein paar Tagen gesehen hat:
    Es gibt einen Typ Film, der nach Meinung derer, die das Kino kennen, zu den zehn, zwölf besten Filmen überhaupt gehört und den ich mir allein deshalb – eben, weil dieser Typ Film als UNWIDERSPRECHBAR GROSS gilt – nicht angucken kann. Diese Filme heißen: »Chinatown«, »Scarface«, »The Thomas Crown Affair«, »Rumble Fish«, »Meanstreets«, »Citizen Kane«, »Opfergang«. Die Leute können konkret nicht fassen, dass man einen Film wie »French Connection« noch nicht gesehen hat und wohl auch in Zukunft nicht ansehen wird (obwohl ich alle diese Filme natürlich längst, wie jeder normale Mensch, auf DVD besitze). Einfach: keinen Bock. Warum? Das Vollendete drückt so. Die Vollendung hat ja immer auch etwas Deprimierendes. Scheiß Meisterwerke.
    Moritz hatte »The Thomas Crown Affair« nach etwa einem Drittel ausschalten müssen, so gut ist dieser Film. Da wir beide als junge Burschen in einen großen Bottich voller Platten von Udo Lindenberg gefallen sind, kannten wir selbstverständlich Udos Coverversion »Unterm Säufermond« lange bevor uns das Original (und Thema dieses Films), »The windmills of your mind«, erstmalig zu Ohren kam. Nun besaß Moritz es endlich auf CD, ich bat meinen Co-Autor, später noch ein paar Zeilen zu diesem Lied rüberzutippen, und ging nach Hause, den Rest aus der Tüte anzuhören.
    Als Plattenkäufer sucht man ja eigentlich ständig Variationen dessen, was man seit Jahren liebt. Am schönsten ist es, wenn einem aus den Stapeln der Neuerscheinungen unverhofft neue Werke solcher Interpreten entgegenstrahlen, deren ältere Platten man immer mal wieder wehmütig gehört und dabei gedacht hat: Ach, die müssten mal wieder eine rausbringen! Dass der Zauber der Erstberührung übertroffen werden kann, ist unwahrscheinlich, aber von dieser Gemengelage handelt nun mal Pop: Sentimentalität im Zwist mit der ewigen Suche nach dem neuen (dem neuesten!) Herzensbrecher. Zuhause ließ ich dann die Discokugel rotieren, bereit dazu, mitgerissen oder enttäuscht zu werden – bitteschön, Tiga, kriegen wir das noch mal zusammen hin 2009? Ja: Die, nach Neil Tennant, zweitschönste Popstimme erzählt uns zu sattem Beat und herrlichsten Eisdielenmelodien von der Welt, von den Girls und von den Boys.
    Und nun meldet mein Co-Autor Moritz von Uslar, was ihm zu »The windmills of your mind« einfällt:
    In dem Song steckt – das hört ja jedes Kind – neben der ganz offensichtlichen irren Schönheit auch eine irre Traurigkeit, Einsamkeit, Verlorenheit. Das Bild, das beim Hören in meinem Kopf auftaucht: Ich, übers Wasser gleitend, in einem hölzernen Motorboot, nicht, wie in der üblichen Phantasie, vor der Villa Malaparte auf Capri, sondern über einen der trostlos schönen Seen in der Mark Brandenburg. Der See heißt Stechlinsee. Die Sonne kommt nicht raus. Die Sonne steckt hinter den Wolken.
    Juni
    Da ich gerade keinen Opel gebrauchen kann, aber doch irgendwas für mein Land tun wollte, beschloss ich, diesmal bei Karstadt Platten zu kaufen, demonstrativ. Im Karstadt am Berliner Kranzler-Eck befand sich früher eine WOM-Filiale mit hervorragendem Sortiment, mittlerweile gibt es da nur noch eine schäbige CD-Ecke im Keller, in der vor allem die zweite Platte dieses armen Dödels mit der Mundharmonika feilgeboten wird und die neue von Michael Wendler, deren Titel ein für diesen Mann wirklich verwegenes Wort ist: »Respekt«.
    Raus da, schlechter Start, überhaupt, ich merke schon, ich möchte gar keine Platten kaufen heute, morgen auch nicht. In neun Tagen fahre ich zum Konzert der Pet Shop Boys in London und werde im Zuge dessen dann den HMV-Laden leerkaufen; bis dahin und seit zwei Wochen schon höre ich überhaupt nur ein Lied, das aber

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