Auch Deutsche unter den Opfern
und verboten – macht: Es geht um Jagd, Hetze, Beute. Kaum ein Tag vergeht, an dem Schertz nicht im Auftrag einer Berühmtheit irgendeiner Zeitung oder Zeitschrift diesbezüglich eine Unterlassung zustellt, je nach Pikanterie des Motivs verbunden mit einer Schmerzensgeldforderung. Mit diesen Fotos lässt sich viel Geld verdienen – sowohl für Fotografen und Verlage als auch für die Geschädigten und deren Anwälte. Die Rechtsprechung ändert sich ständig in Nuancen, aber insgesamt ist der Schutz Prominenter vor Veröffentlichungen unliebsamer Fotos deutlich gewachsen, es ist heute weniger erlaubt als noch vor ein paar Jahren.
Wäre das Museum für Fotografie eine Zeitschrift, und wäre Schertz heute beruflich hier, die Museumsbetreiber müssten jetzt beginnen, sich Sorgen zu machen.
Aber der Anwalt ist privat hier – also darf man, streng genommen, auch gar kein Handyfoto von ihm machen, es zumindest nicht veröffentlichen. Schnell wieder in die Tasche mit der modernen Multimediapistole, kein Abschuss, guten Tag, Herr Anwalt, auf geht’s, zur Kunst.
Auf teurem Holzboden schleichend, bleibt man vor schön gerahmten Schwarz-Weiß-Bildern stehen, der Trick »Museum«, das merkt man gleich, tut dieser Art Fotografie gut. Die ersten Fotos stammen von Jean Pigozzi, Schertz verweilt vor einer Aufnahme von Phil Spector und Yoko Ono, an einem Restauranttisch sitzend, New York, 1991; er hat einen Drink vor sich, sie ein unangetastetes Dessert, die beiden blicken in die Kamera. Yoko Ono trägt ein T-Shirt, auf dessen Vorderseite Paul McCartney und Ringo Starr abgebildet sind. Der erklärte Beatles-Fan Schertz guckt sich das genau an: Yoko mit Paul auf der Brust, das sei ja schon interessant. Überhaupt sei von den Beatles jedes Foto wichtig, er besitze alle Beatles-Bildbände, gebe sogar zu, die Beatles betreffend selbst ein gewisses Schlüsselloch-Interesse zu haben. Es gebe zum Beispiel diese Aufnahme von John Lennon, wie der seinem späteren Mörder Mark David Chapman am Tag des Attentats ein Autogramm gibt – ein Paparazzo-Foto, das zu Recht weltweit veröffentlicht worden sei, weil es einen ungeheuren zeitgeschichtlichen Wert habe. Was er damit auch sagen will: Er hat ja gar nichts gegen das Fotografieren von Stars, überhaupt nichts, er sammelt solche Fotografien sogar. Nur gut müssten sie sein – und mit Einverständnis des Fotografierten gemacht. Oder so herum: Privat sammelt er erlaubte Bilder, beruflich verbotene. Also ist gegen dieses Bild von Yoko Ono und Phil Spector rechtlich nichts einzuwenden? Nein, das sehe nach einer öffentlichen Veranstaltung aus. Und gucken die beiden nicht auch recht freundlich in die Kamera? Vorsicht, doziert Schertz, das bloße In-die-Kamera-Gucken sei kein Einverständnis im Rechtssinne.
Ein Party-Bild von Paris Hilton, New York, 2005. Ist Paris Hilton noch presserechtlich zu schützen? Würde er sie vertreten, wenn sie gegen ein Paparazzo-Bild vorgehen wollen würde? Schwierig, sagt Schertz. Es sei schwer bis unmöglich, den Bildrechtsschutz von Stars einzuklagen, die ihre Privatheit professionell vermarkten, die überhaupt durch diese Vermarktung erst zu Stars geworden sind. Im Falle eines Prozesses legten die Beklagten nämlich das mediale Vorstrafenregister des Klagenden vor,und Homestorys oder andere freiwillige Intimbekenntnisse in der Vergangenheit seien dann von Nachteil. Es gibt zwar so etwas wie eine presserechtliche Resozialisierung, aber dafür darf jemand über einen längeren Zeitraum nicht mehr mit »Super Illu« Ruderboot gefahren sein oder eine Trinkmolkekur unter Aufsicht von »Bild der Frau« gemacht haben. Oder, in schönstem Liebling-Charlottenburg-Deutsch: Das mediale Eigenverhalten definiert den Umfang des Rechtsschutzes.
Weiter: U2-Sänger Bono, Monaco, 2004: gut gelaunt, Augen auf Viertelmast, Hemd offen, Drink in der Hand, er scheint etwas zu rufen (oder zu singen?), was vermutlich nicht direkt mit der Entschuldung der Dritten Welt, Bonos Hauptthema tagsüber, zu tun hat. Öffentliche Veranstaltung, sagt Schertz, aber Bono sei augenscheinlich betrunken, das sei nochmal was anderes. Es gebe ja deshalb diese Regel bei solchen Veranstaltungen, ab einer gewissen Uhrzeit, null Uhr beispielsweise, keine Fotografen mehr zuzulassen. Wer schon vorher betrunken ist, hat dann Pech gehabt? Ja, könne man so sagen.
Fotograf Pigozzi ist gern selbst auf seinen Bildern, man sieht ihn mit Sylvester Stallone, Hugh Grant, Rod Stewart, Martin Scorsese, Andy Warhol,
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