Auch Deutsche unter den Opfern
circa zwei Stunden Wartezeit einkalkulieren.
Und auf dieser Wiese stehend, die zum Rand hin erst von Pflastersteinreihen durchzogen ist, dann in eine lockere Pflasterung übergeht, jeder Stein noch grasumsäumt, um schließlich vor der Treppe in einen festverfugten Steinboden zu münden – da fällt einem ein, wer vielleicht erklären könnte, was sich hier täglich abspielt: das Grünflächenamt! Der zuständige Herr ist freundlich, klug und nachsichtig. Dürfe er annehmen, dass er mit einem biologischen Laien spreche, eröffnet er das Gespräch; das darf er – und erklärt dann alles gut verständlich. Es gehe um nicht weniger als den Übergang von Grün zu Stein. Schließlich sei der Kaiser einst mit der Kutsche durchs Brandenburger Tor gefahren – und wo gelandet? Im Wald! Der Mann vom Grünflächenamt, jetzt poetisch: »Es wächst aus der Wiese der steinerne Bau.«
Die vereinzelten Bäume und Sträucher am Rande des »Strapazierrasens« markierten den Übergang vom waldartigen Tiergarten zur Wiese, und die Wiese würde dann sanft ausgeblendet, erst von Steinen unterbrochen, dann immer mehr Stein, und schließlich nur noch Stein. Gerade in solchen Übergangszonen sei biologisch am meisten los, deshalb müsse man sie weiträumig anlegen, denn dort beherberge die Natur die größte Artenvielfalt.
Artenvielfalt meint immer Pflanzen und Getier, ja?
Ja, genau.
Vielleicht sogar Menschen? Diese sich permanent neu zusammensetzende Menschenschlange vor dem Reichstag vereint doch die unterschiedlichsten Biographien und Charaktere – könnte es sein, dass auch der Mensch, in all seinen Arten, diesen Übergangsbereich anziehender findet als den kompromisslos versiegelten Boden vor dem Kanzleramt oder Schloss Bellevue?
Jawohl, bestätigt der Mann vom Grünflächenamt, wir können gar nicht anders, wir Menschen, das ist in uns drin, wir kommen schließlich aus der Savanne.
Die Sonne ist jetzt untergegangen, um Punkt 22 Uhr wurden die letzten Schlangesteher in den Reichstag gelassen, die paar, die es nichtgeschafft haben, waren vorher von den Studenten darauf hingewiesen worden, dass sie wohl vergeblich anstehen, sie haben es trotzdem versucht und schimpfen nun fast gar nicht. Im Licht der in den Boden eingelassenen, die Fahnenmasten hinaufstrahlenden Scheinwerfer tanzen artenvielfältig die Insekten. Morgen ist auch noch ein Tag für die Demokratie, ab acht Uhr ist geöffnet.
[ Inhalt ]
Die Google-Party
Das wird bestimmt die Party des Jahres, denkt man frohgemut, einfach alles spricht doch dafür: die Adresse, der Gastgeber, die Schwierigkeiten bei der Einladungsbeschaffung. Der Suchmaschinenbetreiber Google feiert auf dem Skylounge genannten Dach des E-Werks in der Wilhelmstraße die Eröffnung seiner Berliner Repräsentanz. Forschungs- und Bildungsministerin Annette Schavan wird sprechen! Klingt das alles gut.
Google, was wäre der Mensch von heute ohne Google – weil man dank Google alles findet, findet man natürlich Google total super. Und von dieser Firma hört man ja auch nur Gutes: Die Mitarbeiter fahren auf Rollern durch ihre Büros, die aussehen wie gut ausgestattete Kindergärten, denn spielend kommen den Google-Leuten die besten Ideen, heißt es. Ganz sicher, das wird eines dieser Feste, von denen noch monatelang die Rede sein wird. WAS? Du warst nicht bei der Google-Party? Da kam Madonna mit dem Hubschrauber für zwei Lieder vorbei, Jamie Oliver stand am Grill, Karl Lagerfeld hat Handstand gemacht und Bryan Adams hat das fotografiert, beziehungsweise umgekehrt – ein unglaublicher Abend. Oder?
Goldbesonntes Berlin von oben, beruhigende Musik, anregende Getränke – es kann losgehen; auf weißen Stehtischchen dekorativ verstreute Legosteine, bunt wie das Firmenlogo. Ein Herr kommt an den Tisch, guten Abend, er sei von Google. Die Legosteine? Ganz witzige Geschichte, sagt der Google-Mann. Auch wenn bei dieser Formel als Einleitung einer Erzählung immer Vorsicht geboten ist, diese ist nicht schlecht: Legosteine also, weil die beiden Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin aus solchen einst die Gehäuse für die Platinen ihrer ersten Server zusammengesteckt haben. Herrlich mythische Gründergeschichte: Vom Tellerwäscher zum Millionär? Nee, vom Legosteinzusammenstecker zum
Milliardär! Spielend! Deshalb die Roller, Rutschen, Schaukeln und Bauklötze in den Büros. Die Google-Gründer haben also nicht »schon im Sandkasten miteinander gespielt« – die tun das wahrscheinlich immer
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