Auch Deutsche unter den Opfern
noch.
Nutzen Sie Google, fragt der Google-Mann nun. Was für eine Frage. Oft und gern. Am besten, antworte ich, gefällt mir an Google die Höflichkeit, mit der es einen berichtigt, wenn man sich bei einer Sucheingabe vertippt hat. Wenn ich also zum Beispiel »Anette Schawan« eintippe, fragt Google so ausgesprochen charmant: »Meinten Sie Annette Schavan«, und diese Kursivierung der richtigen Schreibweise, die ist so taktvoll, das liest sich nicht wie »Du Blödian, die heißt ›Annette Schavan‹ und nicht ›Anette Schawan‹«, nein, vielmehr gibt mir diese Kursivierung das Gefühl, hier neige jemand Allwissendes freundlich den Kopf und erkundige sich ohne jeden Unterton, ob er für mich die Falsche suchen soll, die es ja vielleicht auch gibt, wer weiß, oder nicht besser doch gleich die Richtige. Aha, sagt der Mann von Google, interessant, so habe er das noch nie gesehen.
Wer mal zu Besuch bei einer Sekte war, kennt diese beängstigende, psychologisch geschulte Art, mit Besuchern umzugehen, egal wie irr klingen mag, was die so sagen, immer wird erstmal genickt und das Gesagte für »interessant« befunden. Und immer fällt diesen Leuten noch eine Ergänzung ein, die das Gespräch voranbringt, das irr Gesagte aber miteinbezieht: Dann werde mich bestimmt interessieren, schließt der Google-Mann an, wie viele verschiedene Schreibweisen von Britney Spears schon bei Google eingetippt worden sind. Aber ja, das will man wissen! Tja – 786. Bridnej Schbiehrß? Zum Beispiel.
Na schön, eine Frage noch, hier schwirrt dauernd das Wort »Gadgets« durch die Luft – was ist das noch mal genau? Gadgets, sagt der Google-Mann, Gadgets sind dasselbe wie Widgets. Ah, ok, danke. Und noch was, apropos Annette Schavan suchen – wo ist die eigentlich? Die habe vor einer Dreiviertelstunde abgesagt, bedauert der Google-Mann, die Ministerin müsse überraschend irgendeine ausländische Besuchergruppeempfangen. Statt ihrer spricht jetzt ein Staatssekretär, und der sagt ziemlich zu Anfang seiner Rede einmal »Mädchen« statt »Medien«, und danach hört keiner mehr zu, weil alle so lachen müssen. Jaja, die elektronischen Mädchen und so weiter. Auch der Chef von Google Deutschland beginnt seine Ansprache dann mit einem echten Klopper: »Berlin ist anders.« Ach du meine Güte, das sagt nun wirklich jeder Hans Wurst, der hier neu hinkommt. Was soll das eigentlich immer heißen, also, was genau? Berlin ist aufregend, ach so. Ja, klar.
Apropos aufregend, was ist denn jetzt mit der Party, wo sind denn bitte »die Stars«? Da hinten steht Cherno Jobatey, ZDF, dort drüben Cornelia Pieper, FDP. Berlin ist wirklich anders, man kann es kaum, äh, anders sagen.
Wer im Internet mal nach Mann oder Frau fürs Leben gesucht und infragekommende Personen dann auch in der echten Welt getroffen hat, kennt dieses Gefühl, das den Besucher der Google-Party spätestens jetzt überkommt: Was online super funktioniert, klingt und aussieht, erweist sich offline, also »in echt«, nicht selten als Enttäuschung. Nun singt die als »Youtube-Star« angekündigte Anna Coralee ein Liedchen, begleitet von einem Gitarristen mit interessanter Mütze. Fürs Internet mag das genügen, aber hier, leibhaftig, klingt es wie ein spätstündiges Karaoke-Soul-Missverständnis. »Es ist nie zu spät, wenn du heute etwas änderst«, singt Anna Coralee. Große, platte Popwahrheiten. Cherno Jobatey gefällt das ganz gut.
Abschlussfrage an den Google-Mann: Wo genau ist denn jetzt Ihre Berlin-Filiale?
Unter den Linden.
Stimmt, war blöd, die Frage – und die Hausnummer?
Die weiß er jetzt so aus dem Stegreif nicht.
Ach, wären wir nur immer online. Die echte alte Welt, sie ist so anstrengend, unattraktiv und voller unbeantworteter Fragen.
[ Inhalt ]
Paparazzi
Schnell die Handykamera hervorholen, das ist doch mal ein Bild: Der gefürchtete Medienanwalt Christian Schertz betritt die Foto-Ausstellung »Pigozzi and the Paparazzi«. Sozusagen: der Globalisierungskritiker bei McDonald’s, der Onkologe am Zigarettenautomaten, der Landesbischof auf der Reeperbahn!
Im Museum für Fotografie, direkt hinterm Berliner Bahnhof Zoologischer Garten, ist die weltweit erste Ausstellung zu sehen, die sich ausschließlich dem Fotogenre widmet, mit dessen Bekämpfung sich Schertz in Deutschland einen Namen gemacht hat: berühmte Personen, ohne ihr Wissen, gegen ihren Willen, in privater Situation »abgeschossen«. In diesem Wort klingt bereits an, was diese Fotos so beliebt –
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