Auch Deutsche unter den Opfern
verboten. Es sei denn, Jackie wäre tags zuvor als Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein abgewählt worden.
»Keith Richards and Mick Jagger during the wedding of Mick and Bianca Jagger, Saint-Tropez, 1971«. Zaubersprache Juristendeutsch: Zumindest Keith Richards sei hier eindeutig nicht mehr rechtswirksam einwilligungsfähig. Keith Richards liegt da und sieht, vornehm formuliert, ziemlich müde aus. Aber es sei doch eine Hochzeitsfeier, da werde doch immer alles fotografiert, bittet der Kurator um Nachsicht. Nun, sagt Schertz, es sehe so aus, als sei zum Zeitpunkt der Aufnahme der offizielle Teil der Hochzeit schon seit ein paar Stunden vorbei.
Ganz zum Schluss wird es noch mal ganz verboten: »Giovanni Agnelli jumps from his boat«, »Romy Schneider and her husband Daniel Biasini on their boat«, »Brigitte Bardot sunbathing«. Schertz scannt interessiert, aber professionell entrüstet: Nacktheit in erkennbarer Abgeschiedenheit, es sei offensichtlich, dass sich die Fotografierten unbeobachtet fühlten. Schmerzensgeld jeweils etwa fünfzigtausend Euro. Der Kurator nimmt die anwaltliche Einschätzung gelassen entgegen: Das seien doch durchweg schöne Bilder? Schertz lacht – schön, ja klar, schön; dann wird er streng: Durch Passepartout, Rahmung und Ausstellung geadelt, vermittelten die Bilder eine Seriosität, die man diesen dreien jedenfalls absprechen müsse. Man müsse sie ja im Kontext sehen, wiegelt der Kurator ab. Nee, sagt Schertz, die verstünde man schon auch isoliert, diese Bilder, der Fall sei ganz klar. Und die schöne Rahmung ändere nichts daran, es sei derselbe Rechtsverstoß wie beim Abdruck auf billigem Glanzheftpapier.
Was ist mit der Ausrede Kunst? Kunstfreiheit? Dafür müsse das Bild so unstrittig künstlerisch wertvoll sein, wie es Paparazzo-Fotografie kaum sein könne, sagt Schertz, der Sammler von Fotokunst, der natürlich ein gutes Beispiel parat hat: »Die Absinthtrinkerin« von Picasso. Würde die so porträtierte Dame noch leben und gegen dieses Gemälde klagen, würde die Kunstfreiheit gegenüber dem Persönlichkeitsrecht wohl überwiegen.
Wird es in zwanzig Jahren solch eine Ausstellung mit Paparazzi-Fotos von heute hoch gehandelten und also vielfotografierten Personen geben? Schertz glaubt nicht: Die heute üblichen Paparazzi-Fotos hätten keinerlei künstlerischen Wert (der Kurator nickt), und viele der darauf abgebildeten C-Prominenten werde in zwanzig Jahren niemand mehr kennen. Romy Schneider in Saint-Tropez – das sei doch was anderes als Oliver Geissen und Christina Plate auf Mallorca, oder nicht?
Schertz verlässt die Ausstellung, geht zurück in seine Kanzlei. An den Wänden seines Arbeitszimmers hängen Fotos von Willy Brandt, Bruce Springsteen und John Lennon.
[ Inhalt ]
Vor Herlinde Koelbls Kamera
Ich kam etwas zu spät zu dem verabredeten Fototermin – doch das entscheidende Porträt hatte sie da schon gemacht: Herlinde Koelbl saß in meinem Büro und hatte die aus dem Regal quellenden Zeitungen, Bücher und leeren Evian-Flaschen und die Papierstapelwanderdünen auf meinem als solchen kaum mehr zu nutzenden Schreibtisch fotografiert. Noch heute zeigen mir diese Fotos am deutlichsten, was damals mit mir los war; gerade auch, weil ich selbst darauf gar nicht zu sehen bin.
»Hallo«, sagte sie und lächelte. Und haute mich dann aus den Schuhen mit einer ganz einfachen Frage: »Wie geht es Ihnen?«
Da musste ich mich erstmal setzen.
Am Abend zuvor hatte ich eine vierwöchige Lesereise zu Ende gebracht, mit letzter Kraft, und nun sollte Herlinde Koelbl mich fotografieren. Einen Monat lang hatte ich jeden Abend vorlesend auf einer Bühne gesessen, vorher und hinterher in allerlei Mikrophone und Kameras geredet, vollkommen automatisch waren die Antworten aus mir herausgesprudelt, ich wusste auf alles eine. Zwar war ich nun wieder zuhause, doch längst nicht tatsächlich dort angekommen – noch immer sprach ich mit Bühnenstimme, stets einen Witz auf den Lippen, um keine Erwiderung verlegen, auf nichts so bedacht wie auf Wirkung; mich spielend, anders ist sowas gar nicht zu schaffen. Mich selbst hatte ich beim hektischen Umsteigen auf irgendeinem Bahnhof des Landes stehen lassen. Und nun saß also diese feine Dame mit irritierend mädchenhaftem Grinsen und lustiger Vogelnestfrisur in meinem Büro. Ich war bereit, ihr in erprobten Sentenzen das üblicherweise Gewünschte darzulegen, die Lage des Landes und der deutschen Literatur, meine Rolle in dem ganzen
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