Auch Deutsche unter den Opfern
Fotografen Weegee zeigen ausschließlich Nicht-Prominente. Der nicht berühmte Bürger, sagt Schertz, müsse sich gar nichts gefallen lassen, genieße absoluten Schutz des eigenen Bildes. Und zusätzlich den Schutz durch relative Interesselosigkeit des Betrachters, man geht schneller an diesen Bildern vorbei.
Schertz blickt sich um – der überwiegende Teil der hier ausgestellten Bilder sei eigentlich gar keine Paparazzi-Fotografie, wenn er das mal sagen dürfe, zumindest juristisch sei hier das Thema verfehlt. Was man aber sehe: Früher habe es wirkliche Stars gegeben, solche, die einen bis heute interessierten, oder deren Namen man zumindest noch kenne. Und die Paparazzi-Bilder seien mythosstützender Teil des Glamours gewesen, Ziel sei noch nicht so sehr die Herabwürdigung gewesen, die heute vorrangige Absicht aller Abschüsse sei, was auch am Fortschritt derFototechnik liegen könne, dennoch: Wer sei denn heute in Deutschland so glamourös wie Romy Schneider einst? Da fielen ihm nur ganz wenige ein. Das Paparazzitum, orakelt Schertz, werde sich irgendwann vielleicht ganz auf gekrönte Häupter beschränken. Es könne durchaus sein, dass dieser Teil seines Arbeitsalltags aussterbe. Verstöße der klassischen Boulevardblätter in Deutschland hätten massiv nachgelassen; die paar großen Stars wehrten sich und hätten dafür inzwischen auch eine aussichtsreiche Rechtsgrundlage. Schertz vor einem Foto, das Sean Penn zeigt, wie er einen Paparazzo verprügelt: Das sei der falsche Weg – lieber zum Anwalt gehen. Hugh Grant, erinnert sich Schertz an eine Zeitungsmeldung, habe doch kürzlich mit Bohnensuppendosen oder ähnlichem nach Fotografen geworfen? Das zeige, wie sehr manche Stars drangsaliert würden; beim Strafmaß finde die Provokation durch den Paparazzo erhebliche Berücksichtigung. Man denke an die Meldung, dass Britney Spears auf der Flucht vor Fotografen einem Paparazzo über den Fuß gefahren ist und anschließend vom Vorwurf der Körperverletzung freigesprochen wurde. Berufsrisiko.
Was aber ist mit der Pressefreiheit? Die werde ihm etwas inflationär als gefährdet bezeichnet, sagt Schertz; dass die Pressefreiheit leide, wenn ein Sänger nicht beim Einkaufen gezeigt werden wolle oder ein Moderator nicht beim Heiraten, sei doch Unsinn. Das dagegenstehende Persönlichkeitsrecht, dieses Grundrecht schütze doch das höchste Gut überhaupt – den Menschen. Politiker müsse man gesondert betrachten, da diese Gemeinschaftsaufgaben wahrnähmen. Wer also die Werte der Familie im Wahlkampf propagiere und hierfür auch Homestorys zulasse, gleichzeitig aber ein uneheliches Kind in die Welt setze, müsse Berichterstattung darüber hinnehmen.
Der Kurator der Ausstellung, Dr. Matthias Harder, kommt hinzu. Er und Schertz kennen sich aus Studientagen. Damals ging es um – nein, das ist privat. Das gehört hier nicht her, es aufzuschreiben, unterlässt man lieber gleich. Schertz fragt, ob man die Bilder kaufen könne. Kann man nicht. Welches würde er denn kaufen? Schertz zeigt auf ein Edward-Quinn-Foto: »Greta Garbo at the villa ›The Rock‹, Cap-d’ Ail, 1958«. Zu Unterrichtszwecken sei das hervorragend geeignet, sagt Schertz, der Medien- und Persönlichkeitsrecht lehrt. Dieses Foto zeigt Greta Garbo auf einer Felstreppe, an der ein Schild angebracht ist: »Propriété Privée«. Schertz energisch: Eindeutiger gehe es nicht – starker Zoom, ausgewiesenes Privatgrundstück! Das sei doch der Witz, sagt der Kurator. Witz hin oder her, verboten sei es, entgegnet Schertz. Und er müsse mal anmerken, dass nur etwa zehn Bilder in dieser Paparazzi-Ausstellung auch tatsächlich Paparazzi-Bilder im engeren Sinne seien. Die paar klassischen Abschüsse allerdings seien gute Beispiele für solche Fotos, deren Verbreitung er im Falle eines Mandats zu unterbinden hätte.
Am Ende der Runde noch mal Fotos von Angeli: »Jacky Kennedy Onassis in Yves Saint Laurent’s store in Paris«. Sie hält sich die Hand schützend vor die ja ohnehin schon schützende Sonnenbrille. Mein Lieblingsbild, sagt der Kurator. Im Schaufenster reflektiert der Blitz, der Fotograf spiegelt sich. Da sei doch alles drauf – und, sie lächele schließlich, das sei doch ein Einverständnis, quasi?
Oh nein.
Ein, äh – halbes, ein halbes Einverständnis?
Nein, sagt Schertz, das sei überhaupt nicht ausgemacht, dass sie lächele, wohl gar noch aus Freude über den Fotografen, so weit komme es noch, nein, nein, nein, ein Abschuss beim Einkaufen –
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