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Auch Deutsche unter den Opfern

Auch Deutsche unter den Opfern

Titel: Auch Deutsche unter den Opfern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benjamin Stuckrad-Barre
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Clint Eastwood, Carla Bruni und so weiter. Das seien eigentlich gar keine Paparazzo-Fotos, sagt Schertz, es seien eher Party-Fotos, viele davon im Leserreporter-Stil: Hobbyfotograf bittet Prominenten um ein gemeinsames Foto. Die Veröffentlichungszahl von Leserreporter-Fotos, die Prominente ohne deren Einwilligung zeigen, sei deutlich zurückgegangen, lobt Schertz, juristisch sei der »Abschuss« so definiert: Aufnahme in einem Moment der Entspannung, wenn sich der Fotografierte unbeobachtet fühlt. Als die Leserreporter-Mode aufkam, setzte Schertz mehrere Unterlassungserklärungen durch, etwa gegen die weitere Verbreitung solcher Aufnahmen der Fußballer Podolski und Odonkor (Letzterer pinkelnd), gemacht in deren Ferien direkt nach der Fußballweltmeisterschaft. Überhaupt seien Paparazzi-Bilder zuallermeist Urlaubsfotos: Da ist die Kleidung spärlich oder zumindest ungewöhnlich, die Familie beisammen, die Disziplin niedriger als sonst, dieUmgebung gibt einen schönen Kitsch-Hintergrund ab, der Tagesablauf ist eintönig – alles gut für Paparazzi. Zum Beispiel das berühmte Foto von Joschka Fischer, aufgenommen vor einer Bäckerei in Saint-Tropez. Ach, Saint-Tropez – besonders häufiger Spielort der ausgestellten Fotos, die meisten stammen aus den 50er bis 70er Jahren. Es gab noch kein Internet, kein Privatfernsehen, viel weniger Yellow Press, keine Digitalkameras, keine Fotohandys – die Sache war halbwegs überschaubar. Heutzutage, sagt Schertz, könne jeder jeden in jedem Moment fotografieren. Viel Arbeit für ihn.
    Die nächsten Fotos stammen von Daniel Angeli: Lady Di in Saint-Tropez, 1997, im Badeanzug mit Raubkatzenmuster, an einer abgelegen wirkenden Bootsanlegestelle, eines der wenigen Farbfotos der Ausstellung. Schertz attestiert mit geübtem Blick den Einsatz eines starken Zooms, Erkennungsmerkmal von Paparazzi-Bildern. In keiner Person, wird der Anwalt nun grundsätzlich, verdichte sich das Problem dieser Art Fotografie so wie in Lady Di. Es müsse für jeden Menschen, auch für sogenannte absolute Personen der Zeitgeschichte, einen Bereich geben, der privat ist und bleibt. Dieses Badeanzug-Foto wurde im Todesjahr der Prinzessin aufgenommen; es sei ja, erinnert Schertz, bis heute umstritten, inwieweit die sie jagenden Paparazzi den todbringenden Unfall im Pariser Tunnel eventuell mitverursacht haben.
    Nächstes Drama: Michael Jackson auf dem Balkon des »Carlton«-Hotels in Cannes, 1997, eine Hand zum Winken ausgestreckt – Winken könne, so Schertz, als konkludente Einwilligung in ein Foto verstanden werden; Balkone seien ansonsten Privatbereich. Auch im Hotel, speziell in einem Hotel in Cannes, während der Filmfestspiele, wie hier im Fall Jackson? Ja, es sei denn, Michael Jackson halte mal wieder seine Kinder aus dem Fenster. Da würde dann der Nachrichtenwert überwiegen, die Dokumentation eines solchen Fehlverhaltens sei statthaft. Der Nachrichtenwert sei entscheidend; ein Beispiel: Fotos von Prominenten beim Einkaufen. Laut Gerichtsurteil besteht berechtigtes öffentliches Interesse an einem Foto der einen Tag nach ihrer Nicht-WiederwahlEinkaufen gehenden Heide Simonis – nicht jedoch an einem Foto der auf Mallorca einkaufenden Sabine Christiansen als Bebilderung der Geschichte »Was jetzt los ist auf Mallorca«.
    Schertz bleibt vor dem nächsten Bild stehen, sagt mit Kennerblick, hier werde es nun richtig teuer, »ein klassischer Abschuss«: die nackte Romy Schneider auf ihrem Boot in, natürlich, Saint-Tropez, 1976. Schertz geht näher ans Bild, guckt sich das mal ganz genau an, murmelt, die Anmutung sei natürlich nicht von schlechten Eltern. Dann zoomt sein Kopf zurück, wechselt wieder von der männlichen in die juristische Sicht der Dinge: achtzigtausend Euro, bei Abdruck auf der Titelseite einer Illustrierten. Na, sagen wir: fünfzigtausend auf jeden Fall. Komplett nackt, eindeutig privat, starker Zoom – zudem eine Frau, die bekanntermaßen unter anderem vor der Boulevard-Presse nach Frankreich geflohen ist. Er dreht sich kopfschüttelnd um – und sieht gleich den nächsten Romy-Abschuss, dieser hat den schönen Titel »Romy Schneider and Daniel Biasini kissing in their chalet ›Diablerets‹, Switzerland, 1974«. Wieder ein klassischer Abschuss, absolut justitiabel, sagt Schertz: Privatgrundstück, direkte körperliche Zuwendung, die beiden fühlten sich offensichtlich unbeobachtet, die unscharfen Gesichter deuteten auf starken Zoom hin.
    Die benachbart hängenden Arbeiten des

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