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Auch Deutsche unter den Opfern

Auch Deutsche unter den Opfern

Titel: Auch Deutsche unter den Opfern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benjamin Stuckrad-Barre
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verschiedenen Bands gespielt, in berüchtigten Wiener Chaotentruppen zunächst und später dann als »Falco & Band« in Japan und wo nicht überall. Bis zum Schluss haben sie immer wieder gemeinsam Musik gemacht, und Rabitsch macht sogar noch nach dessen Tod mit Falco Musik: Mit dem DJ Peter Kruder mischt er ein Lied aus dem Nachlass neu ab, es heißt »Die Königin von Eschnapur«, Falco und Rabitsch hatten es 1995 zusammen geschrieben. Rabitsch testet jetzt, ob Bollywood-Streicher im Hintergrund eventuell passen, und dann singt Falco, dass die Kellerwände wackeln:
    »Lebend begraben / Werden sie uns nie« und »Was von uns überbleibt / ist alles original«.
    Nein, niemand, kein Regisseur, kein Friseur, kein superguter Wiener Freund kann das Werk dieses Genies beschädigen, wenn es auch noch so viele Wiener ausdauernd versuchen.
    Peter Kruder hat extra für diese Studionacht einen Falco-Bildschirmhintergrund auf seinem Laptop installiert: Falco grinsend, am Piano sitzend. Solange der Falco grinse, sei alles in Ordnung, was sie hier tun, sagt Kruder. »Siehst, noch gfallt’s ihm.« Dann wird der Monitor dunkel, Energiesparmodus. Kruder tippt auf eine Taste, die Arbeit geht weiter – Falco ist wieder da. Und grinst.

[ Inhalt ]
    Wintertagebuch
    I.
    Das also ist der Winter. »Klirrend« sei die Kälte, wird nun stets gesagt, und man muss nur vor die Tür treten, um die Berechtigung dieses Standard-Adjektivs nachzuvollziehen. Lautmalerisch erzählt es von gefrorenem Wasser und einer Luft, die sich hart anfühlt. Klirrend, ja, das kommt hin.
    Das ganze Jahr über hört man von »sozialer Kälte«, als Stadtmensch ist man dann ganz überrascht, wenn tatsächlich mal im Wetter-Zusammenhang von Kälte die Rede ist. Der letzte richtige Winter, richtig im Sinne von sehr kalt, viel Schnee, extrem hoher Heizrechnung? Vor drei Jahren. Aber das Wort Winter lotst die Erinnerung gleich deutlich weiter in die Vergangenheit, nämlich automatisch in die Kindheit. Und sofort entsteht im Kopf ein Panorama, zusammengesetzt aus wirklichen Erfahrungen plus aus Büchern und Filmen geborgten Erinnerungen. Erinnert man sich nun an das eigene Leben oder an das der Kinder aus Bullerbü, wenn man von »weißer Weihnacht« spricht? Hat man das jemals wirklich selbst erlebt? Das kann nur ein Anruf beim Deutschen Wetterdienst klären. Schöner, romantischer ist es, einzutauchen in die Erinnerungen: frühmorgens geweckt vom Geräusch der Schneeschaufeln auf dem Gehweg draußen, prchp-prchp-prchp. Mit dem Schlitten zur Schule. Schneeballschlachten – wie einem dann, nach einem Treffer am Hinterkopf, die schmelzende Soße den Nacken runterrinnt. Mit Moonboots auf der überschwemmten, dann zugefrorenen Wiese eingebrochen; das unangenehme Gefühl nasser Wolle auf der Haut (Strumpfhosen!). Die Kinder von Ärzten kamen im Januar aus den Skiferien, mit Sonnenbrand auf der Nase. Hä? Wir hatten nur unterm Eis des Feuerwehrteichs Fische – lebend! – gesehen und darob die Welt nicht mehr verstanden.
    Die Idee Winter ist äußerst hübsch, nur hat sie wenig zu tun mit heutiger Winter-Realität. Ist es nicht meistens eher bloß matschig? Im Grunde ein zwanzigwöchiger November? Man wird zweieinhalbmal krank, lässt Schal, Mütze oder Handschuhe versehentlich irgendwo liegen, kommt dann aber auch ohne klar, und einszweidrei, steht man schon wieder in der Schlange vor einem Freibad. Heute, erwachsen und in der Großstadt lebend, die Jahreszeiten und ihr Wechsel kaum ein Spektakel; kein Baum vor dem Fenster, an dem man den Jahresverlauf ablesen könnte – was ist da der Winter, wie bemerken wir ihn? Winterreifen? Ich habe keinen Führerschein, und Winterreifen sehen für mich genauso aus wie Sommerreifen. Schneeketten sieht man in der Stadt selten. Was man sieht: den eigenen Atem – das aber hat auf mich keine besonders faszinierende Wirkung, da ich Raucher bin und als solcher meinen Atem auch im Sommer sehe. Man greift etwas tiefer in den Schrank, bemerkt einmal mehr, was Motten doch für einen guten Geschmack haben, je teurer und schöner der Pullover, desto mehr Fraßlöcher. Man lässt die Luft aus den Heizkörpern (wo hatte man diesen kleinen Vierkantschlüssel im letzten Winter noch mal verstaut, mit dem Ziel, ihn im Jahr drauf nicht lang suchen zu müssen?). So weit die Winter-Routine. Aber sonst?
    In den letzten Tagen allerdings wurde der Winter plötzlich mehr als nur eine Erinnerung, mehr als das übliche »Schneechaos in Oberbayern«, das in

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