Auch Deutsche unter den Opfern
herausgetragen haben, nach seinem Tod. Die so Beschuldigten erzählen ebenfalls von solchen Raubzügen, allerdings bezichtigen sie wiederum andere namentlich. Wer weiß schon, was hier die Wahrheit ist? In Wien weiß es leider jeder, pro Falco-Zeuge gibt es eine Wahrheit, mindestens.
Conny de Beauclair hat Maria Hölzel erst bei der Beerdigung ihres Sohnes kennengelernt, sie mochten einander aber auf Anhieb, noch heute besucht er sie regelmäßig. Zwar sei sie geizig, sagt er, aber sie habe ihm eine goldene Lampe geschenkt, Falcos Schreibtischlampe. Als Folge der Schlaganfälle könne sie nurmehr »Datisda« sagen, »Datisda« entgegne sie auf jede Frage, und es gebe nur wenige, die verstehen, was sie damit jeweils sagen wolle. In diesem Fall hätte »Datisda« ganz eindeutig gemeint, er solle bitte diese Lampe an sich nehmen.
Im nächsten Friseursalon spätestens wird man endgültig kirre: Erich Joham, der Udo Walz Wiens (also genau diese wienerische Extraportion geistreicher, nerviger und verkommener), der hinter vorgehaltener Hand höchst stolz die Liste seiner prominenten Kunden aufzählt, so verschwörerisch, als breche er gerade ein Arztgeheimnis oder so etwas, der also bietet an, »ein Video aus dem Jenseits« zu zeigen. Bitte, was? »Doch, doch, wart nur!«, kreischt Joham und legt eine Videokassette ein. Auf dem Bildschirm sieht man jetzt, wie er Falco die Haare schneidet. Die Aufnahme stammt aus dem Winter 1996, Falco spricht anlässlich seines bevorstehenden 40. von den Feierlichkeiten zu seinem 30. Geburtstag, aber das macht ja nichts, man muss es nur anders sehen, eben als Video aus dem Jenseits, dann wirkt es gleich besser. Und also spricht der im Februar vor zehn Jahren gestorbene Falco nun aus dem Friseurfernseher: »Februar vor zehn Jahren, kannst dich erinnern?« Friseur Joham triumphiert, und Falcos Gerede ist sehr schwer zu verstehen, da Joham immer, wenn es gerade interessant wird, dazwischenkreischt: »Host des gheert? Willst des nochamoal hörn?« Dann spult er zurück, Falco setzt im kleinen Fernsehgerät zu sprechen an – und Joham schreit: »Da! Host des gheert? I spul’s gern nochamoal zrück.« Nach und nach beginnt man zu verstehen, wie Falco auf die Idee kommen konnte, von Wien in die Dominikanische Republik überzusiedeln. Im Rausgehen hört man ihn im Jenseits-Video wunderbar gelangweilt zu Joham sagen: »Noch was zur Lage der Nation? Nicht von mir, ich fahr in die DomRep.«
Am Abend wird es dann richtig deprimierend, Johams Kollege Simoner tritt beim »Wiener Finanzball« im Palais Auersberg als Falco auf. Der echte Falco drehte hier einst das »Junge Römer«-Video, heute gibt es nach der »Tombola mit vielen Preisen« und dem »Scherenschnittkünstler Janko Schukaroff« die »Mitternachtseinlage ›A Tribute to Falco‹ mit Michael P. Simoner«. Der singt natürlich auch den »Kommissar«, und die Zeile »Drah di ned um« bekommt eine neue Bedeutung, wenn man sie – nach dem Video aus dem Jenseits etwas metaphysisch gelaunt – als Grußbotschaft Richtung Zentralfriedhof interpretiert.
Um die Wallfahrt zu komplettieren, schließlich noch ein Besuch in Falcos letzter Wohnung, Schottenfeldgasse 7. Es brennt Licht, und aus der Gegensprechanlage blecht eine junge, freundliche Frauenstimme. Die Schauspielerin Hilde Dalik öffnet die Tür. Als sie die Wohnung vor drei Jahren angemietet hat, ahnte sie nicht, wer da einst gewohnt hatte, aber als der Makler es ihr dann erzählte, nahm sie das als »voll gutes Zeichen«, denn Falcos Musik hat sie immer gern gehört.
In einer Falco-Dokumentation der unvermeidlichen DoRos hat sie ihre Wohnung dann wiedererkannt, »da hingen die Nitsch-Bilder«, sagt sie – und zeigt auf die weiße Wand im Wohnzimmer. Und weil Falco Falco war, stand davor ein schwarzes Ledersofa. Jetzt steht da gerade ein Wäscheständer. Irgendwelche greifbaren Reliquien? Aber ja! An der Innenseite der Tür zum begehbaren Kleiderschrank klebt tatsächlich noch eine David-Bowie-Fototapete, schwarz-weiß, Amerikaflagge im Hintergrund, und weil zwischen dem großen Bowie-Bewunderer Falco und Hilde Dalik nur noch Maria Hölzel hier wohnte, darf man annehmen, dass Falco tatsächlich Bowie, diesen Schwarz-Weiß-Bowie, vor Augen hatte, wenn er sich anzog. Somit ist man endlich wieder bei der Musik, wurde auch Zeit nach all den Friseuren.
In einem Kellerstudio beginnt der Musiker und Produzent Thomas Rabitsch seine Nachtschicht. Rabitsch hatte mit Falco seit Jugendtagen in
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