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Auch Deutsche unter den Opfern

Auch Deutsche unter den Opfern

Titel: Auch Deutsche unter den Opfern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benjamin Stuckrad-Barre
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aber auch klar. In der »New York Times« habe was über die Hochzeit gestanden, heute habe ihm jemand erzählt, er habe sogar auf Hawaii davon gehört; in der »Süddeutschen Zeitung« habe es gestanden, in der »Frankfurter Allgemeinen«, was – er lacht – was will man mehr? Er zeigt eine Auswahl der jüngsten Presseberichte, zieht sich das weiße T-Shirt über den Kopf, schlüpft in ein frisches Hemd, Thamm und die Freundin gehen schon mal los, während Walz noch den Wohnungsschlüssel sucht, das sei immer dasselbe, immer sei der Schlüssel weg, sagt er, und dass übrigens die Kücheneinrichtung von Ikea sei, überhaupt viele Möbel hier seien von Ikea, und der Sessel dort aus einem Theaterfundus – man könne mit etwas Geschick sehr günstig eine Wohnung hübsch einrichten.

    Dann hat er den Schlüssel gefunden, in der Jackentasche war er; Walz lässt alle Lichter in der Wohnung an, lässt auch den Fernseher laufen, sagt, er lasse immer alles an, das sei dann schön beim Nachhausekommen. Vor dem Haus setzt er sich in ein Straßencafé, meine Lounge nennt er es, und bestellt eine Cola Light.
    Das 201. Interview gibt er nun vollautomatisch, man braucht gar nichts zu fragen: Eigentlich sei das ja am Samstag gar keine Hochzeit, sondern nur die Bestätigung einer Partnerschaft/Heiraten sollen nur Mann und Frau, um eine Familie zu gründen/Carsten ist seine Familie/Es kommen viele Freunde aus der ganzen Welt, aus Bombay, Athen, Miami, aus der Türkei und aus Italien/Es wird wie beim »Bambi«, wer da alles kommt, der Wahnsinn.
    Er zählt die Namen auf, viele davon kennt man aus der Zeitschrift »Bunte«, Kundschaft und Freunde, das geht so ineinander über. Ist denn noch irgendwas an dieser Hochzeit privat? Ja, man habe das Ereignis nicht ans Fernsehen und auch an keine Zeitschrift verkauft, da kämen einfach 200 Freunde am Samstag, das werde eine große Party, wie sein 60. Geburtstag, und Partys habe er einfach gern.
    Ein Mädchen kommt an den Tisch und bittet um ein gemeinsames Foto. Walz legt den Arm um sie.
    Woher kommst du denn?
    Aus Köln.
    Mach mal lieber noch ein Foto, zur Sicherheit. Alles klar, ciao!
    Auch dieser Aspekt des Bekanntseins, das Maskottchentum, macht Walz Spaß. Pro Tag kämen 20 solcher Fotomädchen, ist doch doll, sagt er, für einen Friseur.
    Er spricht jetzt zusammenhanglos, oder, anders, der Zusammenhang ist Udo Walz: Das Leben ist keine Generalprobe, das sei sein Motto. Er hasse nach wie vor »die Wir-Form«, er gehe nicht mit Carsten auf den Wochenmarkt, kaufe keine gemeinsame Waschmaschine, und allein in den Urlaub zu fahren sei auch weiterhin immer mal schön. Weil es ihm so gut gehe, habe er Patenschaften für zwei Kinder in Afrikaübernommen und zwei Wasserbrunnen im Sudan finanziert, 2000 Euro pro Brunnen. Bei KPM und Hermès stünden zwar Hochzeitstische, aber die Hochzeitsgäste dürften natürlich schenken, was sie wollen. Er habe nicht sonderlich schöne Hände, daher werde es keine Ringe geben, stattdessen bringe Barbara Becker Armbänder von Cartier mit, die würden mit einem Schraubenzieher fixiert – wenn man sich dann scheiden lassen wolle, er lacht, müsse man zum Klempner gehen. Sabines Hochzeit sei ja dermaßen toll gewesen da auf der Privatinsel. Christiansen? Ja ja, nicht zu toppen, die schönste Hochzeit, auf der er je gewesen sei. Die eigene werde eher klassisch. Wir Deutschen liebten ja das Wort »aber«, er jedoch nicht. Wenn was schön oder lustig sei, dann sei es schön oder lustig – ohne »aber«. Egal, wie es werde heute Abend, es werde lustig. Und schön.
    Ein Jeep fährt vor, zwei etwas windig aussehende Herren steigen aus, einer hat ein Tuch in der Hand, möchte Walz die Augen verbinden. Nein, sagt Walz, das machen wir nicht. Er steigt in den Jeep, blickt etwas verdutzt in eine Kamera, die ihm vom Beifahrersitz aus ins Gesicht zielt. Was das jetzt sei, fragt Walz. Das sei »Hallo Deutschland« vom ZDF, sagt filmend der Kameramann. Walz ziert sich kurz, das sei ihm jetzt gar nicht recht, aber der Kameramann sagt, das sei doch alles primstens, und Walz solle bitte ordentlich überrascht tun, wenn er gleich aus dem Auto steige. Nach ein paar Metern Fahrt guckt Walz zunächst ergeben, dann glücklich in die Kamera und ruft: »Hallo Deutschland!«
    Bernhard Brink ist auch schon da, sagt der Kameramann.
    Vor der Kleinen Philharmonie warten viele andere Kamerateams, Fotografen, tatsächlich Bernhard Brink – und Freunde. Oder sind das sowieso alles

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