Auch Deutsche unter den Opfern
Freunde?
Udo, war das ’ne Überraschung?, fragt ein Reporter, ja, sagt Walz, er habe gar nicht gewusst, wo es hingeht. Alle sind zufrieden, René Koch, dessen Vorname ja bekanntlich nicht René, sondern »Starvisagist« lautet, hat Würstchen und Salate eingekauft und für die Dekoration gesorgt, jetzt gibt er ein Zeichen, woraufhin aus der Kneipe »Ein Freund,ein guter Freund« schallt, und zwar die von Walz und Koch einst gemeinsam eingesungene Version des alten Schlagers. So ein Abend mit Freunden und Kameras – beziehungsweise: mit befreundeten Kameras – führt zu eher indirekter Kommunikation, da umarmt also Walz nun Bernhard Brink, das wird gefilmt, und Walz sagt in die Kameras, dass er dem Bernhard schon 1972 für die »ZDF-Hitparade« die Haare gerichtet habe. Überhaupt alle erzählen nun den Kamerakameraden, seit wann sie den Udo schon kennen. Walz sagt derweil in andere Kameras all das, was er schon seit Wochen immer wieder sagt, dass es eigentlich ja gar keine richtige Hochzeit sei und so weiter.
Dann fliegt das Geschirr, das ist nochmal gut für die Kameras. Klirr, schepper – und jetzt zusammenfegen, Udo! Walz nimmt einen Besen, sagt, dass er noch nie gefegt habe, und alle freuen sich.
René Koch schaut sich selig um. Ob das nicht herrlich sei hier? Es gäbe niemanden, mit dem sie hier noch nicht gewesen seien, der Udo und er. Am Samstag käme ja die Prominenz, und heute sollten deshalb nur Freunde kommen, eigentlich sei auch keine Presse eingeplant gewesen – aber der Udo könne dann doch nie den Mund halten. Walz kommt herbei, kurze Interviewpause, er steckt den Finger in ein Gemisch aus süßem und scharfem Senf und sagt: Ich hasse das – aber ich liebe Senf.
[ Inhalt ]
Der monatliche Plattenkauf
Januar
»Ich will nicht wissen, wer ich bin.«
»So feiern nur wir.«
Ein perfekter Samstagabend-Beginn: Hin und her zwischen 3sat und RTL, zwischen Gedenksendungen zu Heiner Müllers 80. und Privatfernsehens 25. Geburtstag. In diesem Spannungsfeld wird Energie frei. Wird es bei der einen Party zu trostlos, erwischt man bei der anderen just einen großen Moment. Als dann Katja Lange-Müller erzählt, wie auf Müllers Balkon im Winter einst die Whiskyflaschen explodierten, und das Babelsberger Filmorchester ein Bohlen-Medley darbietet, fällt man vom Sofa und muss doch: hinaus.
Am Straßenrand liegen nun die Weihnachtsbäume, viele Blaufichten. Deren Farbigkeit erinnert an die neue Portishead-Platte; noch immer nicht gewagt, sie zu hören. »Wunderbar verstörend« – für solche Platten kramen die Besprecher immer all die Unfugreste hervor, die sie in ihren Aufsätzen zum letzten Petzold-Film nicht unterbringen konnten.
Das große »Kulturkaufhaus« ist bis null Uhr geöffnet, also durch die Kälte – zu den Platten. Die Stapel mit den Neuerscheinungen, das Jahr so jung, das eben noch Neue jetzt schon alt – vom letzten Jahr: Hab ich schon, hab ich schon, will ich nicht, kenn ich nicht, hab ich schon. Huch, was ist das? »Kylie Boombox – The Remix Album 2000–2008«. Ausweislich Rückseitenbeschriftung ganz frisch, 2009 veröffentlicht! Du kommst in den Korb, Süße. Minogue-Platten: immer blind kaufen, hat man gern komplett zuhause stehen, Kylies Werk. Auch falls mal Besuch kommt. Damals, vor dem Krieg, als es noch Singles gab: »Your disco needs you«, als Bonusbeigabe die German Version, auch einBlindkauf, und hören werde ich sie, bis ich taub bin. »Lass dein Volk nicht in Stich / Deine Disco braucht dich.« Braucht man nun diese Remixe? Später, daheim, wird klar: nicht so unbedingt. Perfekte Poplieder erhellend zu remixen, ist nicht einfach, auch selten nötig. Man kann sich die Party vorstellen, auf der »Can’t get you out of my head« mit »Blue Monday« gekreuzt ein kleineres Beben verursacht, klar, aber dieser Bastard -Gag ist mittlerweile doch etwas in die Jahre gekommen. Schwächeren Liedern jedoch kann ein Remix aufhelfen: Von den Chemical Brothers bearbeitet, kommt der nervig raffinierte Rhythmus des Sexgehauches »Slow« endlich aus den Puschen. Immer wieder im Kreis, an der Schraube drehen, schneller, lauter, kreiselkreisel, rumsbums. Wunderbar.
Und sonst so? Vor ein paar Tagen lief »American Gigolo« im Fernsehen und warf die Frage auf, wie man bislang eigentlich ohne dessen Soundtrack leben konnte. Nicht vorrätig, müsste langwierig als Import bestellt werden, also die gröbste Not mit einem lieblos zusammengeschluderten »The Best of Giorgio Moroder«
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