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Auch ein Waschbär kann sich irren

Auch ein Waschbär kann sich irren

Titel: Auch ein Waschbär kann sich irren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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viel verdient, und soviel ich wußte, arbeitete Esther nicht.
    Ich klingelte und wartete. Ich wartete eine ganze Weile, dann läutete ich wieder. Als ich immer noch nichts hörte, bekam ich es mit der Angst zu tun. Gewiß, Esther konnte einkaufen gegangen sein; ich war aber bereits in einer Verfassung, daß ich überall Tote sah, und so stellte ich mir vor, daß man inzwischen auch Esther umgebracht hatte, weil sie ebenfalls das wußte, was Billy gewußt haben mußte.
    Während ich mir noch überlegte, ob ich die Polizei holen sollte und was ich den Burschen dann erzählen würde, hörte ich drinnen Schritte.
    Die Tür ging handbreit auf, und ich sah, daß eine Sicherheitskette vorgelegt war.
    »Wer ist da?«
    Das war Esthers schrille Kinderstimme.
    »Ich bin’s, Jim.«
    »Ach so«, sagte sie. Es klang, als hätte sie wer weiß wen erwartet und sei nun maßlos enttäuscht.
    »Wollen Sie nicht aufmachen?«
    »Können Sie nicht später kommen?« fragte sie zurück. »Ich bin noch nicht fertig angezogen.«
    Du lieber Himmel! Ich war Bills einziger Freund, und Esther wußte das. Bill war tot, und ich kam, um mit ihr zu sprechen, und — ich spürte die Wut in mir hochsteigen.
    »Nein!« rief ich. »Ich kann nicht warten. Ich hab’ auch noch was anderes zu tun. Schließlich geht’s doch um Bill, und da werden Sie sich doch wohl einen Mantel umhängen können, und außerdem bin ich nicht neugierig, auf Sie schon gar nicht.«
    Das war entschieden hart, aber es beeindruckte sie anscheinend. Sie öffnete, und ich sah, daß sie schwarze Schuhe, schwarze Strümpfe und ein schwarzes Kleid trug. Sie war fix und fertig angezogen, nur im Haar hatte sie einige Lockenwickel.
    »Na also«, sagte ich eintretend, »so nackt sind Sie ja gar nicht.«
    Sie schloß die Tür hinter mir und legte die Kette wieder vor. Dann schaute sie mich mit ihrem überraschten Kaninchenblick an. Sie hatte ein sanftes, hübsches Gesicht, aber sie war dumm, und ich wußte von Bill, wie verbohrt sie sein konnte.
    »Ich muß mit Ihnen sprechen«, fing ich an, »es dreht sich um Bills Tod. Können wir nicht irgendwo hineingehen?«
    »Mein Zimmer ist noch nicht aufgeräumt«, sagte sie.
    Vermutlich lag da ein Strumpf auf einem Stuhl oder so was, und sie hätte es als skandalös empfunden, mich das sehen zu lassen.
    »Dann gehen wir eben da hinein«, sagte ich und deutete auf die Tür zu Bills Zimmer.
    Ihr Blick war noch erschrockener.
    »Da hinein?«
    »Ja. Ich war oft genug drin, und Bill hat auch sicherlich jetzt nichts dagegen.«
    Ohne mich weiter um sie zu kümmern, trat ich ein.
    Bill hatte hier in einer genialen Unordnung gelebt, und erst nach harten Kämpfen mit Esther war es ihm geglückt, ihr das Aufräumen abzugewöhnen. Jetzt sah das Zimmer aus wie das Schaufenster einer Möbelfirma. Wahrscheinlich hatte sich Esther sofort, als sie von Billys Tod erfuhr, hier an die Arbeit gemacht und aufgeräumt.
    »Setzen Sie sich«, sagte ich und schob ihr Bills Sessel zurecht. Ich setzte mich auf den Drehstuhl, der vor seinem Schreibtisch stand. Kein Stäubchen war auf dem Schreibtisch.
    »Ich war unterwegs«, sagte ich, »in Arizona. Vorgestern abend hat mich jemand angerufen. Es war eine Frauenstimme. Oder eine Mädchenstimme. Sie sagte, Bill sei nicht verunglückt, sondern er sei getötet worden.«
    »Ich habe Sie nicht angerufen«, sagte Esther, »und Bill ist leider verunglückt. Er ist in den Klippen abgestürzt.«
    »Oder es hat ihn jemand hinuntergeworfen.«
    »Das glaube ich nicht«, sagte sie, wobei sich ihre Mundwinkel nach unten zogen.
    »Warum glauben Sie das nicht?«
    »Weil... weil... Hm. Die Polizei sagte...«
    »Was die Polizei sagt und was in der Zeitung steht, ist natürlich immer wahr. Wo sind seine Papiere?«
    »Welche Papiere?«
    »Na, eben alle, die er gehabt hat. Manuskripte, Notizen und so weiter.«
    »Die hab’ ich zur Redaktion gebracht.«
    »Zur Redaktion?«
    »Ja, natürlich.«
    »Gar nicht natürlich. Warum denn, um Himmels willen?«
    »Weil man sie dort vielleicht brauchen kann. Außerdem bekam Bill doch sein Honorar dafür, daß er für die Zeitung schrieb.«
    »Ja, ja. Wem haben Sie sie gegeben?«
    »Mr. Brown.«
    »Haben Sie sie nicht durchgesehen?«
    »Nein. Wozu denn? Ich verstehe ja doch nichts davon.«
    »Vielleicht hätte ich was davon verstanden.«
    Ich empfand große Lust, diesem Mädchen einen Kübel Wasser über den Kopf zu gießen, es zu schütteln oder mit dem Kopf an die Wand zu stoßen.
    »Hat Bill mit Ihnen über

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