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Auch ein Waschbär kann sich irren

Auch ein Waschbär kann sich irren

Titel: Auch ein Waschbär kann sich irren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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lächelte nun.
    »Ich habe viel Hirn in meinen Redaktionen«, sagte er, »aber wenig Geist. Ich schätze Menschen mit Geist so sehr, daß ich ihnen vieles nachsehen kann, selbst wenn ihr Geist in einer mir konträren Weise arbeitet. Halten Sie Ihren Artikel für wichtig?«
    »Nur für mich, Mr. Hazlitt. Denn ich bekomme Honorar dafür.«
    »Famos«, sagte er, und seine hellen Augen strahlten mich an. »Ich habe festgestellt, daß Angst stärker ist als Ehrlichkeit. Das scheint bei Ihnen nicht der Fall zu sein. Was trinken Sie? Soda? Orangeade? Eisgekühlten Tee mit Zitrone?«
    »Vielen Dank, Sir«, wehrte ich entsetzt ab, »ich habe meinen Durst gerade gelöscht.«
    »In meinem Haus gibt es keinen Alkohol, Mr. Warner. Der Alkohol läßt uns zu leicht überheblich werden. Wir unterschätzen dann unsere Gegner. Ich werde Ihren Artikel erscheinen lassen, aber ich werde Brown beauftragen, ein Vorwort in meinem Sinne dazu zu schreiben. Wie lange arbeiten Sie schon an meiner Zeitung?«
    »Seit etwa sieben Jahren, Sir.«
    »Eigentlich«, sagte er nachdenklich, »sind Sie zu intelligent für solche Reportagen. Wie wär’s mit Politik?«
    »Da hab’ ich zuwenig Erfahrung, Mr. Hazlitt.«
    Er lachte nun richtig. Es war ein angenehmes Lachen.
    »Kennen Sie einen Politiker, Mr. Warner, der in der Lage wäre, Erfahrungen zu machen? Solange sich die Erde dreht, sind die einzigen Menschen, die noch nie aus den Erfahrungen ihrer Vorgänger etwas gelernt haben, die Politiker. Sie entdecken jeweils die Probleme der Menschheit im selben Augenblick von neuem, wo sie zu Amt und Würden kommen, und was vor ihnen war, interessiert sie genausowenig wie das, was nach ihnen kommen wird. Aber darüber könnten wir uns ja ein andermal unterhalten. Wenn ich Miss Tresker richtig verstanden habe, dann wollten Sie mir etwas mitteilen. Betraf es nicht Bill Nicholas?«
    »Es könnte ihn betreffen«, schränkte ich ein und erzählte ihm der Reihe nach, was sich bisher ereignet hatte. Daß Glory bereits auf der Suche nach dem Aufgeber der Anzeigen war, das verschwieg ich ihm genauso wie June; denn ich wollte nicht, daß das Mädel in Schwierigkeiten kam.
    Als ich fertig war, schwieg Hazlitt noch eine Weile. Er hatte die Hand über seine Augen gelegt, und es sah fast so aus, als ob er schliefe. Dann aber blickte er mich an.
    »Vor zwanzig Jahren«, sagte er, »ereignete sich in Chikago ein merkwürdiger Fall. Drei Gangstergruppen, die sich gegenseitig mißtrauten und auf Leben und Tod bekämpften, kamen durch die überragende Intelligenz eines Mannes zu der Einsicht, daß sie vereint noch viel mehr Erfolg haben müßten als einzeln. Da jedoch persönliche Aussprachen stets mit Schießereien endeten, wählten sie schließlich den Weg über Zeitungsannoncen, um sich zu verständigen. Ein einzelner Mann — das wurde später festgestellt — steuerte diese Inserate, und es gelang ihm in kurzer Zeit, die drei Gangs von sich abhängig zu machen. Die größten Verbrechen in der Geschichte dieser Stadt kamen auf diese Art zustande, bis ein unerhört kluger Detektiv und ein ebenso kluger Polizeichef diesem Treiben ein jähes Ende bereiteten. Der Detektiv wurde dabei leider erschossen. Aber auch der Mann, der die vereinte Bande geführt hatte, kam ums Leben. Wissen Sie, weshalb ich Ihnen das erzählt habe?«
    »Ich glaube, ja«, sagte ich gespannt. »Sie meinen, es könnte sein, daß auch heute...«
    »Sehr richtig«, unterbrach er mich lebhaft. »Viele Leute leben davon, daß sie von Zeit zu Zeit alte Zeitungen oder alte Bücher lesen. Wenn eine Sache lange genug zurückliegt, kann man sie unbedenklich als eigene Idee von neuem aufleben lassen. Auf diese Art entsteht zum Beispiel auch ein großer Teil unserer Fachliteratur. Selbstverständlich interessiert mich das, was Sie da entdeckt zu haben glauben, außerordentlich, wenn ich Ihnen auch ganz offen gestehen muß, daß es mir bei einer anderen Zeitung lieber wäre. Natürlich kann ich darauf keine Rücksicht nehmen. Ich werde aber künftig meine Augen offenhalten und bitte Sie, es mir mitzuteilen, falls Sie weitere Feststellungen machen können. Kann ich Ihnen diese Arbeit erleichtern?«
    Ich sagte ihm offen, daß ich eigentlich in Yuma sein müßte und daß es mir Rückenfreiheit geben würde, wenn ich vorübergehend hinausgeworfen würde. Ich könnte das bei Brown schon inszenieren.
    »Leider«, schloß ich, »kann ich mir das finanziell nicht leisten.«
    Er zog seine Brieftasche, zählte Geldscheine ab

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