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Auch ein Waschbär kann sich irren

Auch ein Waschbär kann sich irren

Titel: Auch ein Waschbär kann sich irren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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nun?«
    »Du bist eine mächtige Frau, June! Ich bin geradezu stolz darauf, daß du nicht Sie zu mir sagst. Und du hast eine direkte Telefonleitung zum lieben Gott.«
    »Er sagte, er habe deine Regenmacherstory gelesen. Komm, putz dir die Zähne und fahr los!«
    »Gute Idee«, sagte ich und schenkte mir noch einen Whisky ein, aber June nahm mir das Glas aus der Hand.
    »Nicht so«, sagte sie. »Hazlitt ist in der Beziehung sehr empfindlich. Er trinkt keinen Alkohol.«
    »Was? Und er hat doch so viel Geld?«
    »Du kannst nicht mit einer Fahne ankommen, die einen Bären umhaut.«
    Ich putzte mir gehorsam in ihrem Bad die Zähne, gurgelte mit einer scharfen Pfefferminzessenz, und dann verabschiedete ich mich von June. Ich wollte ihr einen kleinen Kuß geben, aber sie schob mich zur Tür hinaus.
    »Beeile dich, laß Mr. Hazlitt nicht warten. Und wehe dir, wenn du unterwegs was trinkst!«
    »Du bist ein Engel, June! Wie gut, daß wir nicht verheiratet sind!«
    Als ich unten an dem Mädchen im Glaskasten vorbeiging, fiel mir ein, daß ich mein vorhin angebrochenes Päckchen Zigaretten bei June hatte liegenlassen. Bei meiner immer leeren Kasse war dies ein untragbarer Verlust, weshalb ich kehrtmachte und nochmals hinauffuhr. Ich wollte gerade klingeln, als ich entdeckte, daß die Tür nicht ins Schloß geschnappt war.
    Ich hörte June sprechen und öffnete leise die Tür. June telefonierte. Ihre Stimme klang weich und zärtlich, und ich hörte, wie sie sagte:
    »Ruf mich doch bitte an, wenn du fertig bist. Ich komm’ dann zu dir, ja?«
    Ich zog mich diskret und genauso leise zurück, ohne die Tür einschnappen zu lassen, und ging unten zu dem Mädchen in den Glaskasten hinein. An dem großen Telefonschrank brannte ein grünes Lämpchen, und eins der Kabel steckte in einer der vielen Buchsen.
    Ich deutete auf den Kasten und sagte:
    »Miss Tresker, nicht wahr?«
    Das Mädchen schaute mich abweisend an. »Darüber darf ich Ihnen keine Auskunft geben.«
    »Ich weiß. Ich will auch keine Auskunft, sondern nur meine Zigaretten, die ich oben vergessen habe. Darf ich mal einen Moment...«
    Ehe das Mädchen etwas unternehmen konnte, hatte ich schon den Hörer in der Hand. Sie sprang mich an wie eine Pantherin, die ihre Jungen verteidigt.
    »Nicht!« schrie sie, »das dürfen Sie nicht! Ich rufe die Polizei!«
    »Unsinn«, sagte ich, »ich will doch nur mal >buh< machen, daß sie erschrickt!«
    Ich hatte den Hörer glücklich am Ohr, aber ich hörte nur noch ein Knacken in der Leitung.
    »Hallo June!« rief ich.
    Ich dachte schon, sie hätte mich nicht gehört, aber dann sagte sie leise:
    »Jimmy, du?«
    »Ja, verzeih, daß ich dazwischengeplatzt bin, ich wollte dich nicht kränken. Ich hab’ nur meine Zigaretten — ist’s sehr schlimm? Du kannst ja gleich noch mal anrufen, ja?«
    »Jimmy«, sagte sie, und ich glaube, sie war erschrocken, »Jimmy! Hast du gehört, was ich...«
    »Kein Wort, Liebling, ich schwöre! Wirf mir meine Zigaretten zum Fenster hinunter, ja?«
    »Ja«, sagte sie nur. Sicherlich war sie ärgerlich.
    Ich blieb draußen stehen, bis meine Zigaretten angesegelt kamen, dann fuhr ich langsam davon.
    June hatte also doch einen Freund! Warum hatte sie mir das nicht gesagt? Schließlich kannten wir uns gut genug, um aus so was kein großes Geheimnis zu machen, und ich erzählte ihr auch immer von meinen Mädchen. Oder war vielleicht meine Frage viel zu dumm gewesen? Weshalb auch sollte eine Frau wie June, ausgerechnet June, keinen Freund haben.
    Nach zwei Straßen hielt ich an und goß zwei kleine Whiskys in mich hinein, weil ich ja nun eine Weile auf dem trockenen sitzen mußte. Auf der Weiterfahrt rauchte ich fleißig, um den Alkoholgeruch zu vertreiben. Aber weiß Gott: der billigste Whisky ist mir noch lieber als das teuerste Pfefferminz!
    Ich stellte außerdem noch fest, daß es mich nicht eine Spur beunruhigte, mir June in den Armen eines anderen Mannes vorzustellen. Es geht eben nichts über das seelische Gleichgewicht.

7

    Sam Hazlitts Landsitz lag kurz vor dem Ende des Mandeville Canyon Road, der, vom Sunset Boulevard abzweigend, in die Santa-Monica-Berge ansteigt. Das flache, weitläufig gebaute Wohnhaus lag auf einem Hügel, um den man auf einer ziemlich schmalen Straße herumfahren mußte, um von hinten zur Einfahrt zu kommen.
    Ich ließ meinen Wagen vor dem Tor stehen und schlenderte an einem blaugekachelten Springbrunnen vorbei zum Hause. Vier weiße Pfauen kamen neugierig auf mich zu, aber ich war zu

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