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Auch ein Waschbär kann sich irren

Auch ein Waschbär kann sich irren

Titel: Auch ein Waschbär kann sich irren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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drei geht’s los. Eins — zwei — drei!«
    Ich hatte mir vorgenommen, ihm ein paar ordentliche Schwinger zu verpassen, ohne ihn jedoch k. o. zu schlagen. Aber schon nach den ersten Sekunden merkte ich, daß er wie eine Stahlfeder war und daß ich mich wohl sehr anstrengen mußte, um mein Vorhaben auszuführen. Ich bekam eine Linke durch seine Deckung. Im selben Augenblick explodierte vor mir ein buntes Feuerwerk, und als es vorbei war, hörte ich aus weiter Ferne eine sanfte Stimme:
    »zwölf — dreizehn — vierzehn — fünfzehn — aha! Da sind wir ja wieder.«
    Hazlitt half mir auf die Beine. Ich torkelte noch hin und her, als ob ich Gummischnürchen in den Kniegelenken hätte. Hazlitts Stimme kam aus weiter Ferne an mein Ohr:
    »Sie sehen, Mr. Warner, daß Sport nicht unbedingt Geistlosigkeit mit sich bringen muß. Sie sollten mehr trainieren, denn Sie haben einen guten Schlag und eine gesunde Technik. Nur zuwenig Übung.«
    Nun brachte er mich zu seinem Haus. In der Halle verabschiedeten wir uns. Mein Blick streifte noch einmal über die Ritterrüstungen und die alten Waffen.
    »Ich verstehe nicht«, sagte ich, »daß ausgerechnet Sie sich solches Zeug hier aufhängen.«
    »Panzer, Kanonen und Maschinengewehre«, bemerkte er lächelnd, »sind zu häßlich. Aber ich halte es für notwendig, die Symbole menschlicher Geistlosigkeit täglich vor Augen zu haben.«

    Als ich draußen in meinem Wagen saß, brummte mir der Kopf noch immer. Ob das von Mr. Hazlitts Reden oder seinem Kinnhaken kam, konnte ich nicht genau unterscheiden; wahrscheinlich wirkte beides zusammen. Immerhin bildete ich mir ein, bei diesem sonderbaren Kauz nicht gerade schlecht abgeschnitten zu haben, und als ich mich an die Dollars erinnerte, die nun in meiner Brieftasche steckten, pendelte sich mein seelisches Gleichgewicht wieder aus.
    Ich fuhr langsam in Richtung Los Angeles und dachte dabei angestrengt über Hazlitt nach. Bisher war ich immer der Ansicht gewesen, ein Nihilist sei ein Mensch, der sich nicht wusch, nicht rasierte und der mit Bomben unterm Arm herumlief. Dieser Hazlitt war ein Nihilist, aber auf besondere Art. Er war viel gefährlicher als ein harmloser Bombenwerfer. Verwunderlich war es nur, wie dieser Mann es fertigbrachte, seine privaten Absichten von denen seiner Zeitung so säuberlich zu trennen. Vor allen Dingen war er ein hervorragender Geschäftsmann, und ich begriff nun, weshalb June von ihrem Chef so begeistert war. Beinahe war ich es auch; aber nur beinahe. Denn schließlich ist eine Weltanschauung auch nur eine Sache des Einkommens.
    Ich kam unterwegs zu der Einsicht, an diesem Tage genug getan zu haben. Ich wollte nach Hause fahren in mein kleines Häuschen, um mir dort in Ruhe einen Schlachtplan zurechtzulegen. Nun war ich ja unabhängig und konnte mich ganz der Aufgabe widmen, Bills Tod aufzuklären.
    Als ich durch Los Angeles fuhr, merkte ich, daß ich Hunger hatte. Ich leistete mir ein ordentliches Abendessen, und da ich nicht genau wußte, wie lange die Munition zu Hause reichen würde, nahm ich zwei Flaschen mit.
    Vor der Polizei in San Fernando hielt ich an und traf im Büro Leutnant Morris, den stellvertretenden Sheriff. Da es schon dämmerte, schaltete er das Licht ein.
    »Wie steht’s?« fragte ich. »Weiß man schon was?«
    Er zuckte mit den Schultern.
    »Ich glaube nicht. Sie dürften besser unterrichtet sein als wir. Los Angeles hat den Fall übernommen, ich habe nichts mehr damit zu tun.«
    »Und wo ist mein alter Revolver?«
    »Auch in Los Angeles.«
    »Ich besitze einen Waffenschein, Leutnant, und ich wohne da droben ziemlich einsam. Vielleicht ist es Ihnen auch lieber, wenn Sie mich morgen früh nicht genauso finden wie Benjamin Rogers. Können Sie mir nicht irgendwas zum Schießen leihen? Nur für alle Fälle.«
    Er kramte einen Revolver aus seinem Schreibtisch, der anscheinend noch älter war als meiner.
    »Schön ist er nicht«, sagte er, »aber man kann sich auf ihn verlassen.«
    Er lud ihn vor meinen Augen, und als er ihn mir gab, sagte er:
    »Sechs Schuß. Wenn einer fehlt, müssen Sie mir sagen können, wo ich die Kugel finde. Ist das klar?«
    »Völlig klar, Leutnant. Vielen Dank.«
    Die Nacht war rasch hereingebrochen, und als ich in den steilen Waldweg einbog, ging drüben hinter dem See der Mond auf. Er war dreiviertel voll und leuchtete groß und rot.
    Als ich droben vor meinem Häuschen hielt, tanzte Sancho Pansa wie verrückt in seinem Gehege herum. Er streckte seine Händchen

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