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Auch ein Waschbär kann sich irren

Auch ein Waschbär kann sich irren

Titel: Auch ein Waschbär kann sich irren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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sehr mit meinen Gedanken beschäftigt, um mich mit ihnen über ihre Probleme zu unterhalten.
    Ehe ich noch den bronzenen Türklopfer in Bewegung setzen konnte, ging die Tür auf. Eine Mumie in schwarzen Hosen und grüner Weste mit großen Goldknöpfen stand vor mir.
    »Bedaure sehr«, sagte er, »wir empfangen heute nicht mehr.«
    »Ich bin James Warner. Mr. Hazlitt erwartet mich.«
    Die Mumie verbeugte sich.
    »Verzeihung, Sir. In diesem Falle habe ich Order, Sie zu Mr. Hazlitt zu bringen. Würden Sie mir bitte liebenswürdigerweise folgen?«
    Ich folgte ihm liebenswürdigerweise. Er führte mich gemessenen Schrittes durch eine große Halle, deren Boden mit mehreren Lagen Teppich bedeckt war. Überall an den Wänden standen auf kleinen Ebenholzpodesten alte Ritterrüstungen, blitzblank poliert, und an den freien Flächen der Wände hingen rostige Beile, Schwerter, Lanzen, Dolche und andere Werkzeuge, mit denen sich Menschen früher umzubringen pflegten.
    Wir verließen das Haus an der gegenüberliegenden Seite und gingen über eine Terrasse, von der aus man im Süden das Meer schimmern sah, in den Garten hinunter.
    »Mr. Hazlitt erwartet Sie im Vogelpavillon.«
    Von diesem Wunder hatte ich schon in der Redaktion gehört. Man erzählte sich, daß sich Hazlitt außer für die Bilanzen seiner Zeitung nur noch für seine Vögel interessiere.
    Von außen sah dieser Pavillon aus wie ein indisches Grabmal. Er war schneeweiß, rund und ziemlich hoch, und mir schien, als habe man unglaublich viel Gips daran verschwenddet. Billig war er sicherlich nicht gewesen.
    Durch einen Windfang kamen wir in einen ovalen Raum mit indifferentem Licht. In der Mitte plätscherte ein kleiner Springbrunnen, der Boden ringsherum war mit feinem rosarotem Kies bedeckt, und außen herum, hinter Glasscheiben, hausten die Vögel in treibhausartig bepflanzten Volieren. Es zwitscherte, pfiff, piepste und gurrte von allen Seiten.
    Hinter dem Springbrunnen stand eine Gartenschaukel mit einem kleinen Tischchen und zwei zierlich verschnörkelten Sesseln davor. Auf der Schaukel thronte Mr. Sam Hazlitt.
    Bei uns in der Redaktion hieß er nur »Onkel Sam«, und er sah genauso aus. Er war ein großer, hagerer Mann von 58 Jahren, mit sorgfältig gescheiteltem weißem Haar und buschigen weißen Augenbrauen. Sein Gesicht zeigte eine gesunde Hautfarbe und war nahezu ohne Falten. Wasserblaue Augen blickten mir erwartungsvoll entgegen.
    »Mister James Warner«, sagte die Mumie, verbeugte sich und zog sich, rückwärts gehend, zurück.
    Ohne sich zu erheben, deutete Hazlitt neben sich auf einen kleinen Sessel.
    »Bitte, Mr. Warner, Miss Tresker sagte mir, Sie wollten mich sprechen. Das trifft sich insofern gut, als ich das gleiche Bedürfnis habe. Sie waren in Arizona, nicht wahr?«
    »Ja. In Arizona und Nevada.«
    »Ich habe Ihren Artikel über die Regenmacherei gelesen. Ich halte ihn für einen vollendeten Blödsinn.«
    Ich schwieg abwartend.
    »Jede technische Neuerung«, fuhr Hazlitt fort, wobei er die Spitzen seiner langen, sehnigen Finger gegeneinanderlegte, »jegliche technische Neuerung treibt die Menschen zwangsläufig in der gleichen Proportion in den geistigen Urzustand zurück. Ihre offensichtliche Begeisterung für den technischen Fortschritt entspringt einem inkonsequenten Denken, verstehen Sie? Eines Tages werden wir nur noch Elektronengehirne haben, die sich von ein paar total verblödeten menschlichen Wesen bedienen lassen. Können diese Leute dort denn tatsächlich Regen machen, oder haben Sie das nur aus dekorativen Gründen geschrieben, um Ihren Artikel interessanter zu machen?«
    »Sie können es tatsächlich, Sir. Es funktioniert noch nicht immer, aber in kurzer Zeit werden sie es können.«
    »Entsetzlich«, sagte er. »Es wird ihnen dann damit gelingen, ihr Denken noch mehr einzuschränken als bisher. Der Kampf ums Dasein hat unser Hirn entwickelt. Schalten wir ihn aus, wird unser Hirn verkümmern. Ich halte den Kampf ums Dasein für wichtiger als jeglichen technischen Fortschritt. Können Sie mir folgen?«
    »Sehr gut, Sir«, sagte ich. »Aber ich persönlich hatte mich bisher noch nicht über einen allzu leichten Kampf ums Dasein zu beklagen.«
    Ich hatte ihn, während er sprach, unbefangen beobachtet und mußte mir eingestehen, daß er in natura noch viel besser aussah als auf den Fotos, die ich von ihm kannte. Seine Augen waren klug, und seine hohe Stirn war die eines Gelehrten. Sein Mund war schmal und seltsam leidenschaftlich. Er

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