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Auch ein Waschbär kann sich irren

Auch ein Waschbär kann sich irren

Titel: Auch ein Waschbär kann sich irren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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habe.«
    »Er ist abgestürzt, an den Felsen, am Meer. Wenn Sie nicht...« Sie brach ab, starrte mich wieder an, und ich senkte den Kopf vor der Kälte dieses Blicks.
    Da endlich kam mir der Gedanke, den ich gesucht hatte. —
    Ich stand auf und sagte:
    »Haben Sie den Pfandschein schon eingelöst?«
    Es war, als ob ihre Gedanken aus weiter Ferne zurückkämen. Ihr Gesicht belebte sich.
    »Welchen Pfandschein?«
    »Er muß bei Bills Sachen gewesen sein«, erklärte ich. »Bill hatte eine seiner Kameras einem Pfandleiher gegeben, weil er Geld brauchte.«
    »N... nein«, kam es zögernd, »nein, ich habe keinen Pfandschein gefunden. Ist die Kamera noch dort?«
    »Sicherlich. Denn ohne Pfandschein wird man sie nicht herausgeben. Ich kenne Gott sei Dank den Pfandleiher sehr gut, weil ich leider selbst häufiger Kunde bei ihm bin. Wenn Sie mir eine Bestätigung geben, könnte ich den Apparat sicherlich bekommen und Ihnen bringen.«
    Ich riß ein Blatt von Bills Notizblock, zog meinen Füllfederhalter aus der Tasche und sagte:
    »Schreiben Sie, bitte!«
    Sie nahm mechanisch den Federhalter in die Hand und schaute mich an. Ihr Blick traf mich nicht, sondern ging durch mich hindurch.
    »Schreiben Sie: Als Schwester von Mr. Bill Nicholas ermächtige ich hiermit Mr. James Warner, die von meinem Bruder auf Pfand gegebene Kamera für mich einzulösen. — Und jetzt bitte noch Ihre Unterschrift und das Datum!«
    Ich zog ihr den noch feuchten Zettel weg. Sie stand auf.
    »Wieviel Geld war es denn?« fragte sie.
    »Das weiß ich nicht, aber das können wir ja später abrechnen.«
    Ich hatte nun keinen Grund mehr, länger hierzubleiben.
    »Auf Wiedersehen, Miss Nicholas. Morgen oder spätestens übermorgen komm’ ich wieder vorbei.«
    »Ich... ich wollte...«, fing sie zögernd an, »aber... nicht wahr, es stimmt nicht, was Sie sagten: Bill ist nicht ermordet worden?«
    »Nein, nein! Es war dumm von mir, das zu denken.«
    Ich hatte es jetzt sehr eilig, auf die Straße zu kommen, und dann fuhr ich so rasch wie möglich nach Westwood.
    Als ich vor Lennox’ Gartentor hielt, kam von der anderen Straßenseite eine alte Negerin herüber.
    »Wollen Sie zu Colonel Lennox?« fragte sie, als wir nebeneinander vor dem Gartentor standen.
    »Ja.«
    »Da kommen Sie nur gleich mit mir«, sagte sie, »ich bin nämlich Betty, ich hatte heute frei und war bei meiner Familie in Pasadena.«
    »Freut mich«, sagte ich, »Sie kennenzulernen. Miss Lennox hat mir schon von Ihnen erzählt.«
    »Ach ja, das gute Kind!« rief sie betrübt, während sie neben mir herwatschelte, »die Kleine hat so großen Kummer! Wissen Sie’s schon?«
    »Ja. Sie meinen den Tod von Mr. Nicholas?«
    »Ja, Sir. Ein schreckliches Unglück, nicht wahr? — Dort drüben sitzt Colonel Lennox.«
    Ich ging quer über den Rasen zur Terrasse. Als der Colonel mich kommen sah, legte er die Zeitung weg, stand auf und kam mir entgegen.
    »Guten Abend, Mr. Warner. Mary-Ann ist mit der kleinen Rogers weggefahren. Sie bringt sie nach Hause.«
    »Weiß es das Kind jetzt?« fragte ich.
    Lennox nickte.
    »Ja. Mary-Ann hat es ihr gesagt.«
    »Und... wie hat sie’s aufgenommen?«
    »Erstaunlich gut«, sagte er. »Aber wahrscheinlich kann sich ein Kind noch keine so richtige Vorstellung davon machen. — Wollen Sie sich zu mir setzen?«
    Wir setzten uns, und dann sagte ich:
    »Es ist gut, Colonel, daß wir allein sind. Ich weiß jetzt, wer Bill getötet hat.«
    Der Colonel richtete sich steil auf.
    »Sie... wissen...«
    »Ja. Seine Schwester.«
    Er schaute mich ungläubig an.
    »Esther Nicholas?« fragte er. »Das ist doch... irren Sie sich nicht?«
    »Ich glaube nicht. Ich war gerade bei ihr und entdeckte einen Brief aus San Franzisko, in dem ein Graphologe ein Gutachten über ihre Handschrift abgab. Es stimmt alles mit dem überein, was ich auch schon festgestellt habe: Esther ist ein total verschrobenes und verklemmtes Mädchen. Die krankhafte Liebe zu ihrem Bruder war ihr und Bills Verderben. Als sie nämlich merkte, daß Bill ernsthaft an eine Heirat dachte, da kannte Esthers Eifersucht keine Grenzen mehr. Wahrscheinlich fuhr sie mit zum Strand, und dann trat das ein, wovon der Graphologe in seinem Gutachten schreibt: in einem seelischen Kurzschluß stieß sie Bill in den Abgrund, da sie ihn keiner anderen Frau gönnte. Hier... da ist der Brief des Graphologen. Es ist erstaunlich, was so ein Mann alles aus der Schrift deuten kann. Sie brauchen nur diesen Abschnitt hier zu lesen, das sagt

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