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Auch ein Waschbär kann sich irren

Auch ein Waschbär kann sich irren

Titel: Auch ein Waschbär kann sich irren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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nicht fahren«, sagte sie atemlos. »Du darfst auf keinen Fall fahren. Er wird dich umbringen.«
    »Kannst du es denn gar nicht lassen, Theater zu spielen?« Ich zog den Revolver heraus.
    »Wenn du eine Bewegung machst, June, schieße ich.«
    Sie ließ ihre weiße Handtasche fallen.
    »Jetzt habe ich keine Waffe, Jimmy.«
    »Weshalb bist du gekommen?« fragte ich.
    »Du darfst nicht zu den Klippen fahren! Er weiß alles! Er erwartet dich dort und wird dich umbringen.«
    »Von wem sprichst du, June?«
    Sie blickte sich zögernd um.
    »Darf ich mich nicht setzen, Jimmy?«
    Ich hob ihre Handtasche auf, die schwerer war, als sie aussah, und ging wortlos mit June ums Haus herum zu der Bank. Sie setzte sich, aber ich blieb vor ihr stehen.
    »Was hast du mir zu sagen, Nelly Bowler?«
    Sie senkte den Kopf. Ihr rotes Haar verdeckte ihr Gesicht. »Bill hat’s auch geahnt«, sagte sie leise, »ich wollte ihn davon abbringen, ich wollte ihn überreden, ich wollte ihn von hier weghaben und...«
    »Genau wie mich, nicht wahr?«
    »Ja, ja«, sagte sie hastig, »und deshalb verabredete ich mich mit ihm. Ich dachte, er würde auf mich hören. Wir fuhren zu den Klippen hinunter, und während ich noch mit ihm sprach, war plötzlich mein Vater da und...«
    »Moment!« rief ich, »was hast du gesagt? Dein Vater?« Sie schüttelte sich die Haare aus der Stirn und blickte mich an. Ihre Augen waren wieder klar.
    »Damals«, sagte sie, »als es passierte, schickten sie mich in ein Kloster. Ich mußte beten; morgens, mittags, abends und nachts mußte ich beten. Ich mußte für meinen Vater beten, der ein Mörder war. Sie haben mich dazu gezwungen, sie haben mir jeden Tag gesagt, daß mein Vater ein Mörder war und daß ich für seine Seele beten müsse. Und ich kniete in der Kapelle und betete, solange sie mich beobachteten. Aber wenn sie weg waren, ballte ich die Fäuste und fluchte ihnen, weil sie das von meinem Vater sagten. Da erst begann ich, meinen Vater zu lieben, den ich bis dahin ja kaum gekannt hatte. Ich liebte ihn desto mehr, je mehr man mir vorhielt, daß er ein Mörder war!«
    Sie schwieg eine Weile, dann fuhr sie ruhiger fort:
    »Er war klug gewesen, klüger als alle anderen. Er hatte einen anderen, einen Toten, verbrennen lassen, und er hat sein ganzes Geld geopfert, weil er wußte, daß man ihm das nicht zutrauen würde. Drei Jahre später kam ein Mann und holte mich ab. Ich hatte diesen Mann noch nie gesehen, bis ich merkte, daß ich ihn doch kannte: es war mein Vater! Er hatte in diesen drei Jahren in Mexiko in einer Silbermine geschuftet, und das hatte ihn verändert. Er war schlank geworden, sehnig und stark, und seine Schläfen waren grau. Er nahm mich mit nach Mexiko, und da ich singen konnte, sang ich nachts in einer Kneipe, und wir legten unser Geld zusammen und sparten jeden Peso, bis er eines Tages zu mir sagte, wir hätten es geschafft und könnten von vorne anfangen. Wir fuhren nach Los Angeles. Niemals erwähnte er, was früher geschehen war, und nie sprach er davon, was er hier tat. Bis er mir eines Tages sagte, er habe eine Zeitung gekauft und...«
    »Großer Gott!« unterbrach ich June, »Hazlitt!! Hazlitt ist...«
    »... mein Vater«, vollendete sie ruhig. »Ja. Von dieser Zeit an weihte er mich in seine Geschäfte ein, und ich war stolz auf sein Vertrauen.«
    »Und die Inserate sind wieder...«
    Um ihren Mund zuckte Spott.
    »Die Inserate sind mehr wert als die geheimsten Dossiers der Regierungen. In der ganzen Welt werden sie gelesen, und unsere Agenten handeln danach. Wenn die Araber rebellisch werden, hat mein Vater seine Hand im Spiele, und wenn Revolutionen in Südamerika gemacht werden, werden sie von meinem Vater gesteuert. Und wenn irgendwo auf der Welt etwas los ist, dann verdienen wir daran.«
    »Und deshalb mußte Bill sterben«, sagte ich wütend, »womöglich kann man’s in Geld umrechnen, was?«
    »Ja«, sagte sie, »deshalb mußte er sterben. Ich wollte ihn fortschicken, weil er zuviel wußte. Ich wollte mit ihm reden, aber mein Vater kam dazwischen. Er wies mich fort, als ich mit Bill oben auf den Klippen saß, und dann hörte ich den Wortwechsel, und als ich mich umdrehte, geschah es.«
    »So«, sagte ich mit einer ganz trockenen Stimme, »so, da geschah es! Und du warst natürlich entsetzt.«
    »Ja, Jimmy, ich war wirklich entsetzt. Ich hatte das weder geahnt noch gewollt, und der Gedanke, daß mein Vater das getan hatte, brachte mich fast zur Verzweiflung. Aber er wurde mit mir fertig,

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