Auch Engel Moegens Heiss
wüsste er womöglich auch, wie Mauve aussieht. Nein, Taupe wäre ein besserer Test. Frag Todd nach Taupe.«
»Ich werde ihn ganz bestimmt nicht nach Taupe fragen!«
»Na ja, dann musst du ihn eben ganz direkt fragen, ob er schwul ist.«
Daisy massierte sich die Stirn. »Wir kommen vom Thema ab. Selbst wenn Todd schwul ist -«
»Er ist es«, bestätigten beide Schwestern im Chor.
»Gut, dann ist er eben schwul. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass er was vom Schminken versteht!«
»Er war am Broadway, selbstverständlich versteht er was vom Schminken. In diesen Shows werden alle geschminkt, schwul oder nicht. Außerdem habe ich ihn schon angerufen«, sagte Evelyn.
Daisy stöhnte auf.
»Reg dich nicht auf«, warf ihre Mutter beschwichtigend ein. »Er war unwahrscheinlich nett und hat gesagt, natürlich würde er dir helfen. Ruf ihn einfach mal an, wenn du dazu bereit bist.«
»Das kann ich nicht.« Daisy schüttelte den Kopf.
»Dann schau noch mal in den Spiegel«, schlug Tante Jo vor.
Zaghaft drehte Daisy den Kopf zur Seite und blickte in den Spiegel über dem mit Gas befeuerten falschen Kamin. Der Anblick ließ sie heftig zusammenzucken, und sie kapitulierte ohne jede weitere Gegenwehr. »Morgen früh rufe ich ihn an.«
»Nein, jetzt gleich«, drängte Evelyn.
5
Daisys Eingeweide flatterten wie Flaggen bei Windstärke 12. Sich mit Todd Lawrence zu verabreden, hatte ihre Nerven bis zum Zerreißen strapaziert, obwohl er tatsächlich so zuvorkommend gewesen war, wie ihre Mutter behauptet hatte. Sie sorgte sich nicht nur, dass sie ihn möglicherweise beleidigt hatte - was er in diesem Fall ausgezeichnet zu verbergen verstand -, sie fand es auch absolut erniedrigend , dass sie bei einer so einfachen Tätigkeit wie dem Schminken Hilfe brauchen sollte. Was hatte sie nur falsch gemacht? Sie wusste, dass sie nicht dumm war, aber war sie auf diesem Gebiet wirklich so unbeholfen, dass ihre Bemühungen von vornherein zum Scheitern verurteilt waren? Sie konnte schon jetzt die Witze hören: Daisy Minor sucht einen Mann? Haha; die kann ja nicht mal Mascara auftragen.
Und wollte sie tatsächlich einen Mann, der nicht sie selbst sah, so wie sie wirklich war, sondern eine dicke Schicht Make-up brauchte, bevor er sie überhaupt wahrnahm?
Leider ja. Sie hatte es mit dem »wahren Selbst« lang genug
probiert und rein gar nichts erreicht. Nullo. Wenn sie sich aufpolieren musste, um das zu bekommen, was sie sich wünschte - eine Familie nämlich -, dann würde sie polieren, bis sie blinkte.
Die frisch erworbene Erkenntnis, wie altbacken sie wirkte, lähmte sie beinahe, als sie sich zur Arbeit anzog. Diesmal hatte sie ihre Anziehsachen nicht schon am Vorabend bereitgelegt. Nun stand sie also vor ihrem Schrank und starrte auf die Ansammlung langweiliger Röcke, langweiliger Blusen und langweiliger Kleider. Sie ertrug es nicht, auch nur ein Stück davon anzuziehen, nicht einen einzigen Tag mehr. Unschlüssig harrte sie aus, bis sie zum allerersten Mal in ihrem Leben wirklich Gefahr lief, zu spät zur Arbeit zu kommen. Schließlich zerrte sie ein Paar schwarze Hosen aus dem Schrank und stieg hinein. Noch nie hatte sie Hosen zur Arbeit angezogen, was allerdings auf ihre Fantasielosigkeit zurückzuführen war, nicht etwa auf eine entsprechende Vorschrift. Dies war ein weiterer Bruch mit ihrem alten Leben, und ihr Herz hämmerte ebenso ängstlich wie aufgeregt. Natürlich besaß sie kein elegantes Top, nur ihre unauffälligen, langweiligen weißen Blusen, dennoch zog sie eine davon an und steckte den Saum in den Hosenbund, um dann einen Gürtel umzulegen und mit den Füßen in ihre schwarzen Halbschuhe zu schlüpfen.
Weil sie keinen prüfenden Blick in den Spiegel mehr wagte, schnappte sie sich einfach ihre Handtasche und rannte die Treppe hinunter.
Tante Jo zog die Brauen hoch, als sie Daisy sah, sagte aber nichts.
»Und?«, wollte Daisy wissen, die diese schweigende Inspektion nur noch nervöser machte.
Evelyn kam aus der Küche und nahm ihre Tochter in Augenschein. »Nett«, urteilte sie schließlich mit einem Kopfnicken. »Anders. Und in der Hose kommt dein Hintern zur Geltung.«
Herr im Himmel ; jetzt würde sie den ganzen Tag lang keinem Menschen den Rücken zukehren können. Bestürzt schaute sie auf die Uhr. Zum Umziehen war keine Zeit mehr. »Warum hast du das gesagt?«, jammerte sie.
Evelyn lächelte. »Das ist doch nur gut so, Schätzchen. Wenn ich mich recht entsinne, haben Männer eine Schwäche für
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