Auch Engel Moegens Heiss
es bei ihr nicht anders war.
»Ganz genau. So«, wurde er plötzlich wieder ernst, »jetzt geht’s los.«
Nicht einmal eine Stunde später starrte Daisy wie hypnotisiert in den Spiegel. Ihre Lippen teilten sich in fassungslosem Staunen. O, sie war keine Männer mordende Schönheit, aber die Frau im Spiegel war durchaus attraktiv, und sie wirkte selbstbewusst und lebendig. Sie brauchte nicht im Hintergrund zu verschwinden. Und was noch wichtiger war, die Männer würden sie nicht länger übersehen!
Es war kein schmerzloser Prozess gewesen. Erst hatte Todd darauf bestanden, dass sie sich die Brauen zupfte. »Du willst schließlich keine Brauen wie Joan Crawford, Schätzchen. Sie hatte ein einzelnes braunes Haar, das irgendwann fünf Zentimeter lang war und das sie Oscar nannte oder so.« Zum Glück wollte er auch nicht, dass sie Augen wie Bette Davis bekam, darum beschränkte sich das Zupfen auf ein paar vereinzelt wuchernde Ausreißer.
Dann hatte er ihr Schritt für Schritt demonstriert, wie man Make-up auflegt, was, zu ihrer Erleichterung, gar nicht so kompliziert war. Das Wichtigste war, nicht zu viel des Guten zu tun und stets ein Taschentuch sowie ein Wattebällchen zur Hand zu haben, damit jeder Fehler sofort ausgebügelt und die überschüssige Schminke weggewischt werden konnte. Nicht einmal das Mascara war problematisch, nachdem sie erst einmal den Unterschied zwischen einen klumpenden schlechten und einem gut zu verteilenden guten, nämlich Todds, erkannt hatte.
»Ich hab’s geschafft«, stellte sie wie betäubt fest und starrte dabei ihr Spiegelbild an. Ihr Gesicht sah glatt und hell aus, die Wangen waren zart gerötet, die Augen größer und geheimnisvoller, die Lippen voll und üppig. Und es war nicht einmal schwierig gewesen.
»Natürlich hast du’s geschafft, Schätzchen. Es ist überhaupt nichts dabei; alles reine Übungssache. Und halt dich bei den Farben zurück. So, und nun überlegen wir uns was zu deinem Stil. Was würde dir am ehesten liegen: Mädchen vom Land, altes Geld oder Sexgöttin?«
Todd stand in seiner offenen Haustür und winkte Daisy zum Abschied fröhlich nach. Er musste einfach lächeln. Dies war das erste Mal, dass er länger mit ihr zusammen gewesen war, obwohl er sie natürlich schon lange kannte, und er fand sie wirklich sympathisch. Sie war für eine Frau ihres Alters rührend
naiv, aber sie war auch frisch und klug und ehrlich, und kein bisschen abgestumpft. Sie hatte absolut keine Ahnung, wie sie das Beste aus ihrem Typ machen sollte, aber die hatte Gott sei Dank er. Wenn er mit ihr fertig wäre, würden ihr die Männer reihenweise zu Füßen liegen.
Er ging ans Telefon und wählte. Sobald am anderen Ende der Hörer abgenommen wurde, sagte er: »Ich habe jemanden gefunden. Daisy Minor.«
7
Glenn Sykes war ein Profi. Er war vorsichtig, ließ kein noch so kleines Detail unberücksichtigt und sich auf keine emotionalen Verwicklungen ein. Er hatte noch nicht einen einzigen Tag im Gefängnis zugebracht; im Gegenteil, er hatte noch nicht einmal einen Strafzettel auf seinen Namen kassiert. Nicht, dass er noch nie einen Strafzettel kassiert hatte, doch damals hatte er einen Führerschein auf einen anderen Namen vorgezeigt, seine zweite Identität, die er sich in weiser Voraussicht vor fünfzehn Jahren zugelegt hatte.
Sein Erfolg begründete sich unter anderem darin, dass er nirgendwo auffiel. Er lärmte nicht, er trank kaum - nie beim Arbeiten und nur wenn er allein war - und er war stets korrekt gekleidet und sauber, weil er die Theorie vertrat, dass gesetzestreue Bürger dazu neigten, eine schmutzige, unfrisierte Gestalt genauer im Auge zu behalten, so als würde äußerliche Verkommenheit mit innerer einhergehen. Wer ihn sah, stufte ihn automatisch als langweiligen Durchschnittsbürger ein, mit Frau und Kindern und einem Eigenheim mit vier Zimmern in irgendeinem Vorort. Er trug keinen Ohrring, keine Kette, keine Tätowierung; all das waren Kleinigkeiten, die den Menschen ins Auge sprangen. Sein sandbraunes Haar war eher
kurz geschnitten, er trug eine ganz gewöhnliche Dreißig-Dollar-Armbanduhr, obwohl er sich durchaus etwas Besseres hätte leisten können, und er achtete auf seine Sprache. Er konnte überall hingehen, ohne besonders aufzufallen, und tat das auch.
Vor allem deshalb hatte er einen solchen Hass auf Mitchell. Das tote Mädchen war nicht weiter wichtig, aber ihr Leichnam würde, wenn er entdeckt wurde, Aufmerksamkeit erregen. Die darauf folgende
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