Auch Engel Moegens Heiss
sie trinken wollte. Wenn Wilma überhaupt was fragte, dann, ob man es eilig hatte. Sie wollte schon um eine Tasse Kaffee bitten, als Todd ihr mit einem Leuchten
in den Augen zuvorkam: »Wein. Sie braucht etwas zum Entspannen.«
Die Dame an der Empfangstheke, eine atemberaubende Schönheit mit kurzem platinblondem Haar und einem einnehmenden Lächeln, ging lachend den Wein holen. Er wurde Daisy in einem richtigen Weinkelch gereicht, nicht, wie sie erwartet hätte, in einem Wegwerf-Plastikbecher. Bei näherer Überlegung erkannte sie jedoch, dass Todd wohl keinen Coiffeursalon empfehlen würde, der so vulgär war, Wein in einem Plastik- oder Styroporbecher zu servieren.
Die Dame am Empfang schlug in ihrem Buch nach. »Annie wird sich gleich um Sie kümmern. Sie ist unsere Chef-Stylistin, Sie können ihr alles ganz beruhigt überlassen. Unter ihren kundigen Händen werden Sie im Nu nach einer Million Dollar aussehen.«
»Ich möchte nur kurz mit ihr reden, bevor ich gehe.« Im nächsten Moment war Todd durch eine Tür verschwunden.
Daisy nahm einen tiefen Schluck Wein. Bevor er ging? Todd wollte sie hier alleine lassen? Der Magen sackte ihr in die Kniekehlen. O Gott, sie würde das nie im Leben durchstehen.
Sie musste es durchstehen.
Drei Stunden später, beim dritten Glas Wein, hatte sie das Gefühl, durch die Mangel gedreht worden zu sein. Ätzend stinkende Chemikalien waren ihr auf den Kopf gestrichen worden, Chemikalien, die ihr Haar gelbweiß bleichten und sie aussehen ließen wie eine Punkerin, der eben ein leibhaftiger Fernsehprediger erschienen war. Nachdem das Zeug ausgespült worden war, wurden weitere chemische Mittel aufgetragen, diesmal mit einer Art Malerpinsel und Strähne für Strähne, wobei jede Strähne einzeln umwickelt wurde, damit sie nicht in Kontakt mit den anderen Strähnen kommen konnte. Daisy mutierte von einer Punkerin zur Außerirdischen, die mit ihren Antennen Funksignale aus dem Weltall empfangen konnte.
Unterdessen wurden ihre Augenbrauen gewachst - autsch - und ihre Hände und Füße einer Mani- beziehungsweise Pediküre unterzogen. Jetzt waren alle ihre Fingernägel gleich lang und zu einem transparenten Rosa mit heller Spitze poliert. Ihre Zehennägel dagegen leuchteten in einem verwegenen Rot. Daisy versuchte sich zu entsinnen, ob sie je ihre Zehennägel lackiert hatte; sie glaubte nicht. Aber selbst wenn, hätte sie sich bestimmt ein Blassrosa ausgesucht, das kaum zu sehen war. Nie, nie im Leben hätte sie dieses Schau-her-Signalrot genommen. Der Effekt war fantastisch - und wunderbar erotisch. Die ganze Zeit über streckte sie die nackten Füße in die Luft, starrte auf ihre rot leuchtenden Zehen und sann darüber nach, dass ihre Füße überhaupt nicht mehr wie ihre Füße aussahen. Zu dumm, dass sie keine Sandalen hatte, um sie herzuzeigen. Nur ein Paar Schlappen hatte sie, aber die konnte sie unmöglich in die Arbeit anziehen.
Endlich war die Folterung überstanden. Die Haare wurden wieder ausgewickelt, gewaschen, und sie wurde aufs Neue in den Stuhl der Stylistin gepflanzt. Nach drei Gläsern Wein zuckte Daisy nicht mal mehr mit der Wimper, als Amie die Scheren zückte und ohne Rücksicht auf Verluste zu schnippeln begann. Lange Haarsträhnen segelten zu Boden. Daisy leerte ihr Glas bis auf den letzten Tropfen und streckte es dann zum Nachfüllen vor.
»Ach, ich glaube, du brauchst dir keinen Mut mehr anzutrinken«, meinte Todd, der wieder aufgetaucht war, leicht amüsiert. »Wie viele Gläser hattest du denn?«
»Das ist erst mein drittes«, wehrte sie sich entrüstet.
»Schätzchen, hoffentlich hast du heute Morgen was gegessen.«
»Natürlich. Und Amie hat mir ein Croissant gegeben. Drei Gläser in drei Stunden sind doch nicht zu viel, oder?« Ihre Entrüstung kippte um in Ängstlichkeit. »Ich bin doch nicht beschwipst, oder?«
»Ein kleines bisschen vielleicht. Danke«, meinte er nebenbei zu Amie.
Amie, eine große, dünne junge Frau, die ihr schwarzes Haar zu einem Bürstenschnitt geschoren hatte, lächelte ihn an. »Gern geschehen. Für so eine Veränderung würde ich sogar zwei Croissants opfern.«
Fesch wie üblich, lehnte Todd in den unvermeidlichen Khakis und seinem blauen Seidenhemd an der Frisiertheke und schaute zu, wie Amie Daisys Haar beim Föhnen über eine Rundbürste zog. Daisy schaute ebenfalls zu, voller Angst, weil sie das beim nächsten Mal selbst zustande bringen musste. Es sah zwar nicht besonders kompliziert aus, aber das tat
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