Auch Engel Moegens Heiss
sich auf das kleine Zweisitzersofa zog, den einzigen freien Platz im Raum, was ihn rätseln ließ, ob ihre Mutter die Sitzordnung absichtlich so arrangiert hatte, dass sie nebeneinander sitzen mussten. Wenn ja, dann fand er das ganz wunderbar.
Er blieb fast eine volle Stunde, betrieb gepflegte Konversation und vertilgte dabei eine weitere Schale Eiscreme, während Daisy mit dem Löffel in ihrer Schüssel herumrührte, bis das ganze Eis geschmolzen war. Wiederholt sah sie bange zu ihm herüber und versuchte von ihm abzurücken. Ausgesprochen auf ihre Privatsphäre bedacht, die gute Miss Daisy. Er verletzte die imaginäre Grenze absichtlich, indem er mal mit seinem Schenkel ihren berührte, sich von Zeit zu Zeit zur Seite lehnte, bis er sie mit seinen breiten Schultern bedrängte, und gelegentlich die Hand auf ihren nackten Arm legte. Vor der versammelten Familie konnte sie ihm unmöglich so die Leviten lesen wie damals in der Bücherei, und er nutzte das, was Tante Bessie als ihren »guten Benimm« bezeichnet hätte, weidlich aus.
Als er endlich ging, stand Miss Daisy bis zum Anschlag unter Dampf.
Sollte sie doch brodeln, dachte er auf der Heimfahrt. Sie konnte ihn also nicht leiden, wie? Sie betrachtete ihn nicht als Freund, sie war entsetzt über die Vorstellung, dass er ihr »den Hof machen« könnte, und sie war zutiefst erschüttert, dass ihre Familie annehmen könnte, sie würden auch nur gemeinsam ausgehen.
Saublöd gelaufen, dachte er frohgemut. Teils weil er eine solche Herausforderung nicht ablehnen konnte, teils weil man sich so gut mit ihr amüsieren konnte, hatte er einen Entschluss gefasst: Dieser Yankee würde es bis in ihr Höschen schaffen.
Er hatte das Gefühl, dass sie losgehen konnte wie eine Rakete, wenn der Funken erst mal übergesprungen war. Daisy war kein Eiszapfen; sie war nur unerfahren. Wenn sie je überhaupt Sex gehabt hatte, dann war der nicht der Rede wert gewesen.
Er beabsichtigte, dies zu ändern und ihr ein Erlebnis zu bescheren, das ihr wirklich Grund zum Erröten geben würde.
Seit seiner Scheidung hatte er keine feste Beziehung mehr gehabt; Sex schon, aber er hatte stets darauf geachtet, mit keiner Frau regelmäßig zusammenzukommen. Beziehungen waren ein mühsames Geschäft, und er war nie interessiert genug gewesen, um diese Mühen auf sich zu nehmen. Bis jetzt. Daisy war gleichzeitig unschuldig und vielschichtig, naiv und belesen, scharfzüngig, aber ohne jede Bosheit - etwas, das man nicht über viele Menschen sagen konnte. Mit ihren verschieden getönten Augen, ihrer altmodischen Art und unerschütterlichen Offenheit gefiel sie ihm ausgesprochen gut. Nicht nur, dass Daisy keine Spielchen trieb, sie ahnte nicht einmal, dass es solche Spielchen gab. Bei ihr wusste ein Mann, woran er war. Momentan stand er bei ihr auf der Abschussliste, aber das beabsichtigte er zu ändern.
Wenn er nicht vollkommen danebenlag, war Daisy auf der Suche nach einem Mann. Die Zeichen waren kaum zu übersehen: die plötzlichen Veränderungen bei Frisur und Kleidung, das Make-up, die überraschenden Besuche in den Clubs. Falls sie tatsächlich einen Mann haben wollte, konnte sie aufhören zu suchen. Er meldete sich freiwillig. Nicht dass er ihr das erklären würde; bestimmt würde sie schreiend davonlaufen. Nein, er würde sein Blatt verdeckt halten müssen, bis sie nicht mehr überzeugt war, dass er nicht ihr Typ war.
Bis dahin würde er aufpassen müssen, dass sie nicht in Schwierigkeiten kam, was zu einem Vollzeitjob ausarten konnte. Wenn er fortan die Bars und Nachtclubs abklapperte, würde er nicht nur nach einem Schwein Ausschau halten müssen, das den Frauen Drogen einflößte, die sie umbringen konnten, sondern er würde gleichzeitig aufpassen müssen, dass Daisy keinen anderen Mann zu nahe an sich heran- oder sich von ihm gar unter Drogen setzen ließ. So wie sie sich aufgebrezelt hatte, konnte das zum Problem werden. Sie sah super aus als
Blondine, vor allem mit ihrer neuen sexy Frisur. Und was ihre Kleider betraf - wer hätte je gedacht, dass sie unter diesen altbackenen Blusen zwei atemberaubende Brüste versteckte? Außerdem hatte sie tolle Beine; auch das war am Vorabend nicht nur ihm aufgefallen. Er wusste schon, was er mit diesen Beinen anstellen wollte; hundertprozentig machten sie sich hervorragend über seinen Schultern.
Schon zuvor hatte er sie irgendwie niedlich gefunden, was ihm allerdings erst aufgefallen war, als er in der Bücherei ganz dicht neben ihr gesessen hatte.
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